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2008
Bilder © Universal
*** Wanted
timur bekmambetov


Der Büroangestellte Wesley Allan Gibson (James McAvoy) hasst seinen Job, wird von seiner Freundin mit dem besten Freund betrogen und kann bei der Betrachtung seines eintönigen Lebens nicht einmal eine interessante Vergangenheit vorweisen. Da bricht eines Tages die schöne Fox (Angelina Jolie) unangekündigt in sein Leben ein und teilt ihm mit, dass sein Vater ermordet worden wäre. Den Vater, den er nie kannte. Als Rächer dieses Mordes sei er bestimmt so wird Wesley erklärt und "die Bruderschaft der Killer" würde ihn dafür ausbilden. Wesley stellt sich der Herausforderung ohne überhaupt die geringste Idee zu haben welche Torturen ihm bevorstehen.

Früher oder später kriegen sie alle! Die Bosse von Hollywoods mächtiger Filmindustrie verfolgen ständig mit wachsamen Auge was außerhalb amerikanischer Landesgrenzen vor sich geht. Und mit Timur Bekmambetov ist ihnen ein Regisseur ins Netz gegangen, der in seiner Heimat Russland mit zwei Fantasyfilmen Kassenrekorde brach. Die Filme heißen ‚Wächter der Nacht' (2004) und ‚Wächter des Tages' (2006) und wurden vom amerikanischen Big-Player Twentieth Century Fox international vermarktet. Auch wenn die Filme in zahlreichen Ländern kein Leben auf der Festivaltour fristen mussten sondern regulär ins Kino kamen bleiben diese visuelle stimulierenden Filme ein russisches Phänomen - insbesondere der zweite Teil. Insgesamt spielten die Filme 72.7 Millionen US-Dollar an nationalen und internationalen Kinokassen ein, doch konnte sich der Hype, der sich um den ersten Film dieser Fantasyfilmtrilogie ausbreitete im Ausland nicht auf die Fortsetzung übertragen. Während beim Gesamteinspiel von ‚Wächter der Nacht' knapp 47,7 % (16 Mio. USD) über den heimischen Markt erzielt wurde, schraubte sich dieser Anteil auf 82,3 % (32 Mio.USD) für ‚Wächter des Tages'. In den 16 Monaten, die zwischen den Starts der Filme in Russland/CIS lagen, wurde also eine beträchtliche Anzahl an Kinogängern mobilisiert. In Deutschland hingegen lagen satte 2 Jahre zwischen den Kinostarts und das Interesse an dieser Fantasywelt kühlte deutlich ab von 592.350 auf 72.561 Besuchern. Symptomatisch auch für andere wichtige Filmmärkte (in Großbritannien z.B. verzeichnete man einen Rückgang der Einnahmen um 68% !).

Ein Jahr nachdem ‚Wächter des Tages' bei uns in den Kinos lief ist Bekmambetov also zurück mit einem amerikanischen Action-Streifen, der auf einer Comicvorlage von Mark Millar und J.G. Jones beruht. Und ähnlich wie bei den ‚Wächter'-Filmen offenbart der russische Regisseur narrative Schwächen insbesondere bei der Charakterisierung seiner Figuren, die eine tricktechnisch äußerst ästhetisch verpackte Optik nur phasenweise überdecken kann. ‚Wanted' startet furios mit einer atemberaubenden Sequenz, die als Verbeugung vor den Wachowski-Brüdern (‚Matrix'-Trilogie') zu deuten ist. Da überbrückt ein sehr bestimmt dreinblickender David O'Hara (Doomsday), ein Auftragskiller mit ordentlich Feuerpower, die Distanz zwischen zwei Gebäuden durch einen Sprung durch die geschlossene Fensterscheibe während er freifliegend seine Gegner mit Blei vollpumpt. Die Szene deutet nur an mit welch' fantastischen Elementen und schwerkraftgelösten Actionsequenzen uns Bekmambetov in den nächsten 100 Minuten begeistern will, doch bevor es zu kunstvollen Autoverfolgungsjagden in Luxuskarossen (rote Viper!) und regelrechten Cliffhangern mit vollbesetzten Zugabteilen kommt wird erst mal ein Shop beim Feuerduell zwischen einer unbekannten Schönen (Angelina Jolie), die sich Fox nennt, und Cross (Thomas Kretschmann), einem abtrünnigen Killer, zerlegt. Mittendrin Milchbubi Wesley (James McAvoy), der den Adrenalinstoß seines Lebens kriegt und von einer auf die nächste Sekunde zur Schlüsselfigur eines tödlichen Machtspiels wird. Dem Adrenalin, so wird sich später zeigen, wird eine wichtige Rolle zugeschrieben - aber nicht unbedingt im Sinne des hyperaktiven Actionfilmexperiments ‚Crank'. Dieser junge Mann also, der in Beruf und Privatleben keinerlei Rückgrat zeigt und sich mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gegen Panikattacken zuschüttet soll zum Helden werden ? In ihm, der der sprichwörtlichen Fliege nichts zuleide tun kann, steckt ein Killer ?

So ungläubig wie sich Wesley gibt ist der erfahrene Zuschauer natürlich nicht und so kommen die Trainingssequenzen - die harte Ausbildung zur Schärfung der Sinne und Maximierung der in ihm steckenden Fähigkeiten - wie erwartet. Aber lustig geht's dabei ganz und gar nicht zu. Im Laufe der Vorbereitungen führt die Geschichte eine Reihe potentiell interessanter Figuren ein, die aber im weiteren Fortgang des Film nur marginal behandelt werden. Damit verschenkt der Film etwas von seinem Potential, denn warum? wieso? weshalb? die Mehrheit der Truppe zu diesem vor 1000 Jahren ins Leben gerufenem Geheimbund der Killer überhaupt gehört, wird nicht erläutert. Was ihre Aufgabe jetzt ist, darauf fokussiert die von Michael Brandt und Derek Haas erdachte und von der Comicbuch-Serie inspirierte Handlung. Tolle Namen habe sie jedenfalls, die Mitglieder des Killerkommandos zur Einhaltung des Gleichgewichts in der Welt. Ein Killerkommando, das sich bis auf Angelina Jolie nur aus Männern zusammensetzt. Der Rufname entspricht dem Aufgabenbereich und ist damit selbsterklärend: The Gunsmith, The Repairman, The Exterminator und The Butcher. In der Rolle des Mannes, der für die Beseitigung von körperlichen Blessuren sorgt ist Konstantin Khabendsky zu sehen, der die Haupfigur in den ‚Wächter'-Filmen darstellte. Viel Text hat er nicht genauso wie Rapper Common (Street Kings), Marc Warren (TV's Hustle) und Dato Bakhtadze (Crash). ‚Wanted' bedient sich nicht nur aus dem Genre des Actionfilms sondern integriert Elemente, bei der ein rationaler Erklärungsversuch nur Scheitern kann. Die völlige Zuwendung zum Fantasygenre geschieht dann, wenn eine eigenen Mythologie im wahrsten Sinne des Wortes ersponnen wird um eine Basis für das neue, aufregende Leben von Wesley zu liefern. Damit erklären sich ganz simpel die Beweggründe für die Taten, die Morde, die diese Bande von Elitekillern mit besonderen Fähigkeiten ohne zu fragen ausführt.

Statt kompliziertem Matrix-Universum läuft's hier ganz einfach ab. Der Webstuhl (!) einer Tuchfabrik gibt den Weg vor. Als Binärcode verpackt. ‚Vorhersehung' nennt das Anführer Sloan, souverän gespielt von Morgan Freeman (Das Beste kommt zum Schluß). Doch wer keine Fragen stellt kann leicht missbraucht werden. Das Schicksal entscheidet wer leben darf und der Geheimbund fungiert als Todesschwadron. Eine ähnliche Konstellation konnte man schon in ‚Batman Begins' vorfinden. Darin war Ducard, gespielt von Liam Neeson, der Chef des Geheimbundes, der Bruce Wayne (Christian Bale) anwerben wollte, davon besessen alles Böse von der Erdoberfläche zu tilgen unter Hinnahme der Opfer Unschuldiger. Da soll dann einfach ganz Gotham City "plattgemacht" werden. Ducard tötet wissentlich Unschuldige, Wesley Gibson soll "blind" töten, ohne dass er etwas über die Zielperson weiß. Da scheint der Ausweg für Gibson einfacher zu sein als für Bruce Wayne. Schließlich kann "die Vorhersehung" als Alibi für ein reines Gewissen fungieren. Wayne muss gegensteuern und als Batman gegen Ducard vorgehen. Unser blasser Büroangestellter hingegen hadert nicht lange mit sich und man darf sich schon wundern, dass eine herzzerreißende Geschichte reicht den unbedarften Wesley zum Töten zu bekehren. Er legt damit ein Verhalten an den Tag das zumindest moralisch fragwürdig ist auch wenn so mancher dahinschmelzen könnte, wenn Angelina Jolie die Erzählerin ist. Doch wenn die Aussage im Raum steht ‚Töte einen um 1000 andere zu retten' dann darf man schon mal einen Moment innehalten - aus welchem sinnlichen Mund die Wort auch kommen mögen. Jolie ist unbestritten ein attraktiver Blickfang in ihren Szenen (u.a. reproduziert sie quasi ihren hüllenlosen Auftritt von ‚Die Legende von Beowulf' und verleiht dem Sprichwort "auch ein Rücken kann entzücken" tätowierten Glanz) und auch die Posterkampagne des Filmverleihs dominiert mit ihrem Konterfei. Der Film ist aber der von James McAvoy, schließlich ist es die Geschichte eines jungen Mannes, der innerhalb weniger Monate vom Duckmäuser zum Pistolero wird, dessen Kugeln selbst durch ausschweifende Umwege ihr Ziel erreichen. Und es ist die Geschichte eines Mannes, der seine unbekannte Vergangenheit erkundet; Neuigkeiten erfährt, die aussagekräftiger sind als die Google-Suche nach dem eigenen Namen.

Die Auflösung der Geschichte birgt zwar eine Überraschung ist dann aber nicht vollends zufriedenstellend weil auch die Charakterisierung des Wesley letztendlich nur oberflächlich bleibt. Wer an tiefschürfenden Beschreibungen der Charaktere und düsterem Realismus interessiert ist, der wird das eher bei ‚The Dark Knight' finden, aber nicht hier bei dieser Comicverfilmung. Vielmehr wirkt ‚Wanted' dank frenetischer, rasant geschnittener Szenen, einer blickwinkelherausfordernden, edel gestylten Optik und durch eine Ansammlung kugelfetzender Auseinandersetzungen (dabei interessant zu sehen, wie sich Kugeln gegenseitig neutralisieren) wie der legitime Nachfolger von Michal Davis' ‚Shoot em up' aus dem letzten Jahr. Auch wenn der Film viel stilisierte Gewalt enthält (insbesondere durch CGI-Blut betonte Kopfschüsse durch die u.a. auf altertümlich getrimmten Waffen) kommt der schwarze Humor nicht zu kurz und macht damit den Streifen leichter konsumierbar. Wie zu lesen war wurde das ursprüngliche Ende mit einem 10-minütigen Kampfgefecht zwar gedreht ist aber nicht im Film zu sehen. Der DVD-Release wird hoffentlich Aufklärung bringen. Es gibt aber noch eine Frage, die sich immer wieder stellt, wenn Literaturvorlagen oder Comicbücher auf der Leinwand in bewegte Bilder umgesetzt werden. Wie genau hält sich das Drehbuch an die Vorlage und im Folgeschluss das filmische Endprodukt ? Bei ‚Wanted' handelt es sich um eine von Mark Millar auf sechs Bände angelegte Comicbuch-Serie wobei erst zwei Bände erschienen sind. Laut Millar liegen die ersten 40 Filmminuten sehr dicht an den in den ersten beiden Bänden beschriebenen Handlungsszenen, den Rest haben sich Michael Brandt und Derek Haas selbst zusammengereimt ohne aber einen für die Comicreihe geplanten Superschurken-Plot zu integrieren. Was aber im Film rätselhaft bleibt ist die Funktionalität, die hinter dem Webstuhl steckt ? Zieht da einer im Hintergrund die Fäden wie einst bei Neo und der Matrix ? Die nächste Mark-Miller-Comicadaption jedenfalls ist bereits geplant. Regisseur Matthew Vaughn (Der Sternwanderer, Layer Cake) soll das 30-Millionen-Dollar-Budget für ‚Kick-Ass' bereits aufgetrieben haben.

‚Wanted' ist schon jetzt Bekmambetovs kommerziell erfolgreichster Film, der sein Budget von 75 Millionen Dollar (seine Wächter-Filme waren mit zusammen 4,2 Millionen USD dagegen spottbillig) durch ein erfolgreiches Startwochenende (84.1 Millionen US-Dollar; 25.-27.06.08) - der Film startete in mehreren Ländern fast gleichzeitig - flott wieder einspielte. Allein in Russland gab's zum Start Einnahmen von 10.8 Millionen USD. In Zusammenarbeit mit Twentieth Century Fox bereitet Bekmambetov z.Zt. das Schlusskapitel der Wächter-Trilogie vor. Übrigens: Das mit der Fliege erweist sich schnell als Irrtum, denn wer eben jener Spezies die Flügel wegschießen kann ohne sie zu töten, der muss etwas besonderes sein. Und Brite McAvoy, der mit Rollen in ‚Last King of Scotland' und ‚Abbitte' bekannt wurde, empfiehlt sich mit diesem Auftritt für weitere Hollywood-Einsätze. Vielleicht in ‚Wanted again' ? Für den Deutschen Thomas Kretschmann (Next, King Kong) ist hier nicht viel zu holen. Er lässt Waffen sprechen aber sich kaum Worte entlocken, fungiert lediglich als Zielscheibe, die auch mal zurückschießt. Viel Leinwandzeit verschafft ihm das aber nicht. Und damit kann er sich auch nicht für tragendere Rollen in der Taumfabrik Hollywood empfehlen.

Mit ‚Wanted' liefert der in seiner Heimat gefeierte russische Regisseur Timur Bekmambetov sein englischsprachiges Hollywood-Debut ab und rechtfertig eindrucksvoll das in ihn gesetzte Vertrauen massenkompatible Action im schicken Look abliefern zu können. Allerdings bleiben auch viele Fragen unbeantwortet und die Charakterisierung der Protagonisten ist zu oberflächlich geraten. ‚Wanted' wird sicher nicht auf der Jahresbestenliste 2008 zu finden sein aber er bietet gute Unterhaltung und verdient sich eine Würdigung als coolster Film des Jahres (bisher).
Text © Markus Klingbeil
VÖ: 16.08.2008

Wanted

(Wanted)

USA/D 2008. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 110 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 27.06.2008 (US) 04.09.2008 (D). Budget: 75 Mio. USD Einspiel: 134.5 Mio. USD (US) 341.4 Mio. USD (weltweit) Regie: Timur Bekmambetov. Comicvorlage: Mark Millar, J.G. Jones. Story: Michael Brandt, Derek Haas. Screenplay: Michael Brandt, Derek Haas, Chris Morgan. Kamera: Mitchell Amundsen. Schnitt: David Brenner. Musik: Danny Elfman. Darsteller: James McAvoy, Angelina Jolie, Morgan Freeman, Terence Stamp, Common, Kristen Hager, Marc Warren, David O'Hara, Konstantin Khabensky, Dato Bakhtadze, Chris Pratt.
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