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6. INTERNATIONALES FILMFEST OLDENBURG

8.9.99

Das Filmfest beginnt...mit der Weltpremiere von Nichts als die Wahrheit. Schon eine Stunde vor angesetztem Filmbeginn stehen eine handvoll Fotografen und Reporter vor dem Wall-Kino (Radio Bremen, NDR). Nach dem Film treten Produzent, Regisseur, Kameramann und Hauptdarsteller Wiesinger vors Publikum. Wiesinger und George, so erfährt man vom Produzenten, haben für Null Gage gespielt (daher expliziter Dank im Abspann), George sogar eine Million DM zugeschossen (was ihm den Titel Co-Produzent einbringt), da die Filmförderung Berlin-Brandenburg plötzlich die versprochenen 2 Mio. DM nicht zum Projekt beisteuern wollte.

Wiesinger treffe ich nachher gegen 23.30h im Festivallokal, wo das Buffet aufgebaut ist (schliesslich habe ich 24 DM für den Abend gelöhnt!). Ich kann Wiesinger gerade so entlocken, daß er 40 Drehtage hatte und sich innerhalb 2 1/2 Monaten für den Film und die Rolle des Anwalts entschieden hatte. Da er von vielen Seiten angequatscht wird, ist kein vernünftiges Gespräch möglich und ich verziehe mich. Vorher ist schon Matthew Modine (Echt blond), der seinen Film If...Dog...Rabbit... auf dem Filmfest vorstellen wird, an mir vorbeigegangen. Ich warte auf eine Gelegenheit ihn anzusprechen. In die V.I.P.-Lounge darf der Normalbürger ja nicht, es sei denn man gehört zur Presse. Modine bringt Hollywood-Flair und die Fotografen blitzen was das Zeug hält, auch ein Kamerateam ist vor Ort und macht gleich ein Interview mit dem Amerikaner, bevor der sich dem Buffet zuwendet.

Kurz nach 00.00h Ortszeit erwische ich Modine beim Verlassen des Lokals auf der Treppe. Er meint scherzhaft, ich solle das Foto welches ich von ihm und mir machen lasse nicht im Internet veröffentlichen (sorry, pal), etwas small talk übers Festival und dann sagt er mir noch, dass man ihn demnächst in einen Film von NBK-Regisseur Oliver Stone (Any Given Sunday) sehen wird. Ich frage ihn noch, ob er auch beim zweiten Screening seines Regie-Debüts am Sonntag anwesend sein wird. Das müsse die Festival-Leitung entscheiden, sagt Modine (...denn die zahlt ja seinen Aufenthalt hier). Mein erster Eindruck von Modine ist gut. Ein freundlicher, lockerer Zeitgenosse ohne Star-Attitüden. Mal sehen was noch kommt.

9.9.99

Hochzeitstag. Auch in Oldenburg sieht man an diesem Tage Paare in feierlichem Aufzug durch die Stadt laufen. Die Filme, die heute auf meinem Plan stehen, haben aber nix mit Hochzeit zu tun. Der Filmnachnittag jedenfalls läuft gut an. 17:30h Scarfies. Eine neuseeländische, schwarze Komödie im Stil von Kleine Morde unter Freunden. Tolle Darsteller, interessante Wendungen. Klasse Unterhaltung. Anschliessend steht ein Ortswechsel bevor. Ab in die Kulturetage. Vor dem Gebäude sehe ich Matthew Modine wieder, der gerade mit ein paar Leuten (wie sich später herausstellt sind es die Macher von The Real Stories of the Donutmen) ein Schwätzchen hält.

Ich stärke mich erstmal mit einer Schinkenbaguette (obwohl nicht viel los ist im Bistro, ist die Bedienung nicht sonderlich schnell; Koordinationsprobleme??). Mit einem Glas Coca-Cola in der Hand erklimme ich die Stufen zur Kulturetage 2 (3.Stock), wo Chi girl läuft, mit Handkamera gefilmt und ganz in s/w. Nicht gerade der Bringer. Die Regisseurin soll zwar noch Fragen beantworten, doch als der Film zu Ende ist, ist sie nicht da. Schlechtes Timing seitens der Veranstalter. Auf meiner Levis-Stimmkarte zum Wettbewerb des besten Independentfilms reisse ich die Note 4 ein. Der Kurzfilm vorher war noch langweiliger und auch farblos. Erneuter Kinowechsel. Zurück ins Casablanca.

Matschbirne Mickey Rourke, vor 16 Jahren noch Verführer in 9 1/2 Wochen, soll als irrer Cop in Out in Fifty für abendliche Unterhaltung sorgen. Pustekuchen. Der Film plätschert so dahin. Ein B-Movie über einen Knasti, der ehrlich wird und keinen Rückfall erleidet. Wie langweilig. Wer will das sehen? Keine Ballereien oder Explosionen; nicht mal 'ne Autoverfolgungsjagd, wie es sich für ein ordentliches B-Movie gehört. Stattdessen. Bilder in MTV-Clip-Ästethik von einem Mickey Rourke, wie er sich mit Tabletten und Whiskey zudrönt (vermutlich wie in seiner Freizeit...). Die restlichen Darsteller sind auch mies. Na gut, zwei Filme am heutigen Tage, die in die Kategorie Flop einzuordnen sind. Abhaken. Der nächste Hit kommt bestimmt!

10.9.99

Der Filmkonsum wird weiter gesteigert. Heute findet die letzte Vorstellung des Tages um 0:15h statt. Das Casablanca ist meine erste Station. Vor dem Kino steht -kaum zu glauben- Matthew Modine. Scheint so, als verginge kein Tag an dem sich unsere Wege nicht kreuzen. Um ihn herum wieder die Typen vom Donutmen -Film. Die Produzentin von Donutmen verteilt an die vor dem Kino herumstehenden Gestalten -auch an mich- Handzettel zu ihrem Film. 17:15. I gotta go. The Runner is waiting, or not? Der Film entpuppt sich als ein absolut sehenswertes Spielerdrama mit Courtney Cox, bekannt aus Friends und den Scream-Filmen, und tollen Bildern von Hot City Las Vegas.

Der nächste Film, bei dem auch wieder die Macher anwesend sind, ist ein fürs Fernsehen gedrehtes, weihnachtliches Ganster-Psycho-Kammerspiel: Stille Nacht, heilige Nacht. TV-Niveau eben. In den letzten Vorstellungen des Tages läuft in der Sonder-Reihe "Close -up on Love" zunächst ein Dokumentarfilm über den -Schock!- US-Pornostar Stacey Valentine, The Girl next Door. Und sie ist -Schock again!!- bei der Vorstellung anwesend. Sowas zieht natürlich die Presse mitsamt Kamerateams an, 2 Kameras um genau zu sein, mit grellen Scheinwerfern. Bei einem Team, das jedes auch nicht-gesprochene Wort dokumentierte, war ein Sat.1-Kleber sichtbar.

Der 2.Film zum Thema, Rated X, von einem jungen Filmemacher, war ebenso ein Blick hinter die Kulissen der Pornoindustrie, unterschied sich aber allein schon von der filmischen Umsetzung sehr vom Vorgängerfilm. Moment.....um hier etwas klar zu stellen: Es wurden keine Pornofilme gezeigt!!! Skandal also Fehlanzeige. Mehr als ohnehin in diversen Sendungen im deutschen TV gezeigt wird gab's auch hier nicht zu sehen. Vielmehr gab's unzählige Interviews (was eine Doku nunmal ausmacht) und man war bei The Girl next Door Zeuge, wie operativ Silikon- Implantate ausgetauscht wurden und Lippen künstlich "voller" gemacht wurden....und das sehr detailreich (urghh). 2:30h Der Tag endet. Ach ja, ein Imbiss habe ich zwischen The Runner und Stille Nacht, .. auch eingenommen.

11.9.99

Heute geht's bereits um 15:00h los. Marathon-Tag. Eigentlich wollte ich den Film Restless sehen, doch "aus organisatorischen Gründen" wurde diese amerikanisch-chinesische Co-Produktion nicht gezeigt. Ich entscheide mich also für einen deutschen Film, der diese Tage auch in unsere Kinos kommt: Over the Rainbow. Regisseur, Produzentin, der Hauptdarsteller, die Hauptdarstellerin Mareike Fell und Bela B. Felsenheimer von der Rock-Gruppe "Die Ärzte" sind persölich anwesend.

Roadkill, eine Pseudo-Doku über eine Killerin, die von einem Filmstudenten begleitet wird. Regisseur Matthew Leutwyler, der nach der Vorstellung zahlreiche Fragen beantwortet, ist in seinen Antworten ungewöhnlich offen und deutlich. Das wäre nicht so, wenn sonst jemand von seiner Filmcrew hier in Oldenburg mit dabei wäre, sagt er. Leutwyler ist nicht gut auf seine Produzenten zu sprechen, die ihm nie genügend Zeit liessen, die Szenen so zu drehen, wie er es sich das vorgestellt hätte.

Zwei Wochen Drehzeit und ein Budget von 150.000 $ mussten reichen. Wenigstens haben wir Zuschauer den Director's Cut gesehen, da bei anderer Gelegenheit die Produzenten schon mal Szenen, insbesondere eine Folterszene, weggeschnitten haben. Vor dem Kino ist nochmal Gelegenheit für einen Plausch mit dem Regisseur, doch dann muss ich mich sputen, denn im anderen Kino stellt Asia Argento ihren Film New Rose Hotel vor.

Der Film selbst, immerhin von Abel Ferrara, ist eine Enttäuschung (viele Zuschauer verlassen während des Films den Saal), doch die anschliessenden 20 Minuten mit der Überschrift "Publikum fragt Asia Argento" ist dank Ms. Argento, die jede Frage ausführlichst und offen beantwortet, so unterhaltsam, wie ich mir eigentlich den Film gewünscht hätte. Sie erzählt, dass Hollywood sie nicht sonderlich interessiere und sie sich mit Regisseur Ferrara, wenn denn dieser mal am Set war (!), sehr gut verstanden hat.

Ferrara, so erfährt man, verlangt von seinen Schauspielern Eigeninitiative. So ist viel improvisiert und Erklärungen über die Charaktere, die die Schauspieler verkörpern, gibt Ferrara nicht. Während Ms. Argento geduldig alle Fragen beantwortet, springt dauernd ein Typ mit Videokamera um sie herum, filmt sie und uns, das Publikum, aus allen möglichen Lagen. Argento klärt uns auf, dass dieser Mann ihr persönlicher Kameramann sei und diese Szenen, die er aufnimmt, für ihren neuen, eigenen Film ("with lots of nudity") bestimmt seien.

Früher hat Asia Argento schon Kurzfilme gedreht, auch ein Musikvideo gemacht, dass auch vor dem eigenlichen Film gezeigt wurde - ziemlich verrückt. Auch die unvermeidliche Frage, ob denn das im Film gezeigte Tatoo wirklich echt sei, beantwortet sie gelassen. Warum sie sich dieses Engelsmotiv aber im zarten Alter von 16 hat tätowieren lassen, wusste sie allerdings selber nicht mehr. Ferrara hat diese Bilder vom Tatoo übrigens erst einige Zeit nach Drehende machen lassen.

Nach der Gesprächsrunde macht sich Ms. Argento mit ihrer Band (ja, sie singt nicht nur im Film) in den Festivalclub auf während ich noch zwei weitere Filme vor mir habe. James Belushi, von dem es hiess, er würde zum Festival kommen, erscheint nicht. Ich sehe mir trotzdem seinen Actionfilm Made Men an; ein B-Movie mit klassischen Zutaten (good guy, bad guy, very bad guy, Schiessereien, Explosionen, Autoverfolgungsjagd, Autocrash).

Was Wunder, zeichnen doch die Produzenten von Lethal Weapon, Richard Donner und Joel Silver, für diesen Streifen verantwortlich. Letzte Station: Freeway II - Confessions of a Trickbaby. Erstaunlich viele Leute sind noch auf den Beinen um sich diese ausgeflippte, streckenweise brutale Hänsel-und-Gretel-Variante anzusehen. Matthew Brights Vorgängerfilm war letztes Jahr auf dem Fantasy Filmfest Stuttgart zu sehen. Der Tag endet gegen 2:30h.

12.9.99

Endspurt. 15:00h Eight Lanes in Hamilton. Ein gut gemachter, ruhiger, erzählerisch dichter Film über eine Familie, die mit der überraschenden Rückkehr des Vaters, der 8 Jahre zuvor abgehauen war, konfrontiert wird. 17:30h Ein völlig anderer Film dagegen ist The Real Stories of the Donutmen.

Ausgeflippt, überdreht, slapstickartiger Humor, krasse Szenen und alles in grobkörnigem s/w gefilmt. Die Story ist simpel: Zwei Rocker spielen für mehrere Stunden Polizist (mit Uniform und Polizeimotorad) und ruinieren den sowieso nicht einwandfreien Ruf der Polizei von N.Y. vollends. Ein Wehrmutstropfen ist die z.T. sehr schlechte Bild- und Tonqualität.

Zum Abschluss des Festivals bietet sich nochmals die Gelegenheit einen Regisseur zu löchern: Matthew Modine ist doch noch bei der zweiten Vorführung seines Films If...Dog...Rabbit... anwesend und auch er beantwortet alle Fragen sehr ausführlich. Schliesslich bin ich es, der die Fragen stellt, während die übrigen Zuschauer nur zu-schauen. Der Grund für diesen Film: Modine mochte schon als Junge Filme mit Verfolgungsjagden, er führt als Beispiel den Film Bullit mit Steve McQueen an.

Viele der Darsteller im Film sind seine Freunde, so war es nicht schwer diesen Film in 20 Drehtagen in Mexico abzudrehen. Lisa Marie, Freundin von Tim Burton, in dessen Film Mars attacks! sie ein Alien spielte, schien Modine, als er ihr das erste Mal in Cannes begegnete, die richtige Besetzung für die Rolle der Freundin zu sein. Auf meine Frage nach Kubrick, mit dem er vor 12 Jahren Full Metal Jacket drehte, hebt er die positiven Eigenschaften des kürzlich verstorbenen Regisseurs hervor.

Bewundert spricht Modine auch von Peter Sellers (Inspector Clouseau), der mit Kubrick Dr.Strangelove gedreht hat. Modine hat bereits Erfahrung hinter der Kamera, da er früher drei Kurzfilme gedreht hat. Seine Zukunft sieht Modine aber als Schauspieler. Der definitiv letzte Film auf dem diesjährigen Oldenburger Filmfest ist für mich Steven Soderberghs The Limey. Trotz guter Darsteller leider ziemlich langweilig.

Fazit: Auch wenn ich einige durchschnittliche Filme in den 5 Festivaltagen gesehen habe, gab es doch einige Filme, die es Wert sind angesehen zu werden:

* Scarfies * The Runner * Roadkill * Eight Lanes in Hamilton * The Real Stories of the Donutmen * If...Dog...Rabbit * Nichts als die Wahrheit

Was das Oldenburger Filmfest vor allem auszeichnet ist das "drumherum". Man hat meist die Gelegenheit sich mit den Machern der Filme persönlich zu unterhalten und andere filmbegeisterte Zeitgenossen zu treffen. Hier trifft man keine ausgeflippten Fans (habe ich jedenfalls nicht getroffen), die Peter Lohmeyer, ein Stammgast des Festivals, der auch wieder beim Kinobrunch am Sonntag morgen mit dabei war, an den Hals springen. Das Publikumsalter schätze ich von 20 - 60 Jahren wobei die meisten wohl um die dreissig sind. Ein bisschen hat Oldenburg auch noch den Geheimtip-Character. Das Programm war auch in diesem Jahr, wie im letzten Jahr, sehenswert. Auf ein neues im Jahr 2000!

Markus Klingbeil. 27.09.99
 
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