Home || Suchen || Aktuell || Kritiken || Festival & Co. || Coole Köpfe || Medien || Downloads || Links || Sitemap
Filmwahl > 0-9 | A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z

 
2008
Bilder © Concorde

*** Tödliches Kommando
kathryn bigelow


Ein Bombenentschärfungskommando erlebt das wiederkehrende Grauen des Krieges im Irak anno 2004, stets darauf fokussiert den Tag zu überleben.

Mehrere Filmemacher haben sich schon mit den beiden Irakkriegen und ihren Auswirkungen beschäftigt. Von starbesetzten Vehikeln wie "Im Tal von Elah", "Jarhead - Willkommen im Dreck" oder auch "Stop-Loss" bis zu kleineren, mit kaum bekannten Darstellern realisierten Produktionen wie "American Soldiers - ein Tag im Irak", "Battle for Haditha" oder "Redacted". Außerdem wurde das Thema in diversen Dokumentationen (z.B. Fahrenheit 9/11) und Fernseh-(Mini-) Serien wie "Generation Kill" und "Over There" aufgearbeitet.

Jetzt hat Action-Spezialistin Kathryn Bigelow die Eindrücke von Mark Boal verfilmt, der vor einigen Jahren als "imbedded Journalist" ein Bombenentschärfungskommando in Baghdad begleitete. Boal hatte schon für "Im Tal von Elah" die Vorlage geliefert. Bigelow war in den 80ern und Anfang der 90er die erfolgreichste Regisseurin Hollywoods in der Männerdomäne Actionfilm ("Gefährliche Brandung", 1991), doch die beiden kommerziellen Misserfolge "Strange Days" (1995) und "K19-Showdown in der Tiefe" (2002) waren herbe Rückschläge und danach verschwand sie erstmal aus der öffentlichen Wahrnehmung.

Im September 2008, sechs Jahre nach ihrem U-Boot-Thriller-Debakel, stellte sie auf den Festivals in Venedig und Toronto ihren Independent-Streifen "Tödliches Kommando" vor, ein vorrangig im dreckigen Dokustil abgedrehter und authentisch wirkender Erfahrungsbericht über eine nie enden wollende Kriegssituation ist. Bigelow entschied sich gegen eine hochbudgetierte Studioproduktion und verzichtet für die Hauptrollen auf große Namen. David Morse (Disturbia), Ralph Fiennes (Brügge sehen ... und sterben?), Guy Pierce (Bedtime Stories) und Evangeline Lilly (TV-Serie Lost) sind nur in kleinen Parts zu sehen.

Der Vorteil dieser Maßnahme neben der Einsparung von Kosten ist der, dass der Zuschauer nicht von Hollywoodcelebrities abgelenkt wird und die Geschichte mehr in den No-Names, den Durchschnittstypen aufgeht. Da das Massenpublikum für kritische, düstere Filme über brisante Themen wie einen Krieg aus dem es keinen Rückzug gibt kaum zu haben ist, werden die Macher ohnehin mit einem geringeren öffentlichen Zuspruch kalkuliert haben. Wichtiger für Bigelow waren aber die kreativen Freiheiten und der Final Cut, den sie bei einem großen Studioprojekt nie bekommen hätte. Immerhin überschlagen sich die Kritiker weltweit in ihren Lobeshymen für "Tödliches Kommando". Bigelows Kriegsdrama ist auch streckenweise packend inszeniert, aber leider unnötig in die Länge gezogen.

In den Hauptrollen sehen wir Jeremy Renner (Kaltes Land, Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Jesse Ford), Anthony Mackie (Eagle Eye - Ausser Kontrolle) und Brian Geraghty (Jarhead - Willkommen im Dreck), die verschiedene Typen eines Soldaten verkörpern. Renner ist Staff Sergeant William James, als Ersatz für den getöteten Kollegen neu in der Truppe aber ein erfahrener Bombenentschärfer. Für ihn ist jeder Kriegseinsatz wie eine Droge und er vereinigt Einzelkämpfermentalität und Machoismus zu einem explosiven Cocktail - für das eigene Leben und das der Kollegen. Gerade bei dieser Figur stößt es etwas sauer auf, dass hier die Hollywood-Schablone des selbstzerstörerischen, dumm agierenden Actionheldens verwendet wird.

Unverantwortliches Handeln ist natürlich keine Seltenheit, insbesondere im Krieg, wo die Gesetze gerne mal nach eigenen moralischen Maßstäben interpretiert werden. Doch Bigelow weiß natürlich genau, dass die Dramaturgie manchmal auch künstlich gepusht werden muss um den Betrachter das Gefühl von Hektik und Aktionismus zu vermitteln. Dabei schießt sie aber das ein oder andere Mal übers Ziel hinaus und so kippt das mit Handkamerabildern vermittelte Geschehen vom Doku-Realismus phasenweise ins Hollywoodactionkino. Das deutet sich auch schon früher im Film bei zwei, drei Szenen durch den Einsatz von Superzeitlupe an.

Die anderen beiden Protagonisten gehören mehr zu denen, die ihre Pflicht tun aber froh darüber sind, wenn ihre Tour vorbei ist und sie wieder nach Hause gehen können. Da werden dann schon mal die Tage gezählt und der rücksichtslose Kollege verflucht, der die ohnehin schon angespannte Lage mit spontanen Aktionen zusätzlich belastet. Bigelows Film zeigt ungeschönt, wie hart der Alltag des Soldaten im Irak ist, wie präzise die Bombenentschärfer vorgehen müssen um zu überleben. Sie streift aber auch die Kommerzialisierung des Krieges, z.B. wenn eine Gruppe britischer Söldner auftaucht um gezielt Personen des irakischen Widerstands zu stellen bzw. zu töten. Und wir sehen wie neben Bomben vor allem auch Heckenschützen zur Alltagsbedrohung im Irak zählen.

Um den authentischen Look zu kreieren reisten die Filmemacher nicht etwa zu den kargen Landschaften diverser US-Bundesstaaten sondern begaben sich dicht an den realen Krisenherd. Manche Szenen wurden nur fünf Kilometer entfernt von der Jordanisch-Irakischen Grenze gedreht. Das Sicherheitsrisiko wäre zu hoch gewesen hätte man im Landesinneren des Irak oder direkt in Baghdad gedreht. So bot Jordanien die besten Möglichkeiten und als Komparsen wurden u.a. auch Iraker besetzt, die wegen des Krieges aus ihren Land geflüchtet waren. Außerdem drehte man noch in Kuwait und British Columbia/Kanada.

Mit "Tödliches Kommando" wirft Regisseurin Kathryn Bigelow einen sehr authentisch und realistisch wirkenden Blick auf die verfahrene Situation im Irak. Krieg ist hier kein CGI-Spektakel sondern ein nüchterner Kampf ums tägliche Überleben. Ganz ohne Hollywoodmomente kommt man aber auch hier nicht aus und die Anti-War-Message wird über zwei Stunden auch etwas zu breit ausgetreten. Der halbwegs intelligente Zuschauer hat schon weit früher begriffen, wie gefährlich der Job des Soldaten im allgemeinen und des Bombenentschärfungskommandos im speziellen ist.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 14.08.2009

Tödliches Kommando

(The Hurt Locker)

USA 2009. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 131 Min. Bildverhältnis: 1.85:1 Kinostart: 26.06.09 (USA) 13.08.09 (D). Budget: 11 Mio. USD Einspiel: 9.7 Mio. USD (USA) Regie: Kathryn Bigelow. Buch: Mark Boal. Kamera: Barry Ackroyd. Schnitt: Chris Innis, Bob Murawski. Musik: Marco Beltrami, Buck Sanders. Darsteller: Jeremy Renner, Anthony Mackie, Brian Geraghty, Guy Pearce, Ralph Fiennes, David Morse, Evangeline Lilly, Christian Camargo, Suhail Aldabbach, Christopher Sayegh.
Suchen || FAQ || Impressum || Sitemap
© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih