Jerry Shaw (Shia LaBeouf) ist im Gegensatz zum Zwillingsbruder kein Mensch, der sich besonders motiviert durchs Berufsleben schlägt. Als der Bruder aber bei einem Unfall stirbt, Jerrys Bankkonto plötzlich prall gefüllt ist und seine Wohnung vor Düngemittel und Militärwaffen nur so überquillt verändert sich sein ruhiges Leben schlagartig und eine wilde Hetzjagd von Chicago nach Washington nimmt ihren Lauf.
Der "Überwachungsstaat" oder wie mit moderner Technik fehlgeleitet agiert wird steht wieder als Hauptthema für einen Film zur Verfügung. Man kennt das ja nicht nur aus Filmen wie Kubricks 2001 - Odyssee im Weltall, 1984, Staatsfeind Nr. 1 oder diversen High-Tech-Thrillern, sondern auch aus der Realität. Das digitale Hochrüsten zum Sammeln von Informationen über jeden einzelnen Erdenbürger und damit die Überwachung von Eigenschaften, Vorlieben und Handlungsweisen eines Individuums ist im vollen Gange. Natürlich nur zur Sicherheit aller um einer Terrorgefahr schneller auf die Spur zu kommen bzw. Drahtzieher zur Strecke zu bringen.
London z.B. gilt als Welthauptstadt von Überwachungskameras (über 10.000 sollen es sein! ). Doch auch freiwillig hinterlässt der Bürger so manche digitale Spur, sei es beim Internet-Surfen, beim Zahlen mit EC- und Kreditkarte oder beim einfachen Telefonieren. Und man vergesse nicht die Bonuskartensysteme im Supermarkt und sonstigen Einkaufsgeschäften. Daten, die man z.T. auch freiwillig und unbedenklich preisgibt. Wer da nun was mitkriegt und wie alles verwendet wird, weiß man nicht immer ganz genau.
So drastisch wie im futuristischen Thriller von D.J. Caruso ist es freilich noch nicht bestellt, denn da wird aus den Lebensdaten, die digital vermerkt sind, der eine oder andere Strick gedreht und das perfekte Profil für einen Attentäter geformt. Dumm nur, dass Jerry Shaw, so heißt der Unglücksrabe, keinerlei Ambitionen hat seinem Heimatland zu dienen oder es mit einem terroristischen Anschlag zu ärgern. Das macht dann auch den Reiz der Handlung aus, wenn zwei Menschen - mitgehangen, mitgefangen ist noch eine alleinerziehende Mutter - unter Todesandrohung vom normalen Alltagsleben in die gefährliche Achterbahn des Lebens katapultiert werden ohne selbst den Steuerknüppel in der Hand zu halten.
Diese Kontrolle versuchen das FBI und Beamte der Air Force vergeblich zu erlangen und selbst das Verteidigungsministerium ist schon im Cybersumpf untergegangen und wird die Geister, die man rief, nicht mehr los. Das sind dann Ansätze, die sich auch in James Camerons Terminator-Filmen wiederfinden, denn da ist die vom Menschen geschaffene Cyber-Intelligenz bald dem Menschen überlegen und verspürt unbändige Vernichtungslust.
Flott inszeniert ist ‚Eagle Eye', die fünfte Regiearbeit von D.J. Caruso, der nachdem er letztes Jahr für Steven Spielberg und Dreamworks für ein 20 Millionen US-Dollar-Budget den Überraschungshit "Disturbia" ablieferte (Einspiel weltweit: 117 Mio USD) diesmal über 100 Millionen Dollar verpulvern durfte um das Mainstream-Publikum mit Actionszenen und Knalleffekten zu begeistern. Langeweile dürfte auch nicht aufkommen, denn es gibt kaum Momente, bei denen die beiden Protagonisten bei ihrer Schnitzeljagd im Stirb-langsam-3-Stil eine Verschnaufpause einlegen können.
Da gibt es eine packende minutenlange Verfolgungsjagd durch die Strassen von Chicago bei der zig Autos zu Schrott gefahren werden und Jagdszenen zu Fuß in einer Flughafengepäckabfertigungshalle, die rasant und spannend inszeniert sind. Erfreulicherweise harmonieren handgemachte Action und computeranimierte Effekte auch gut miteinander. Dass hierbei die Realitätsbezogenheit schon längst verloren ist, vor allem beim zusammengeschusterten Handlungsgeschehen, sollte man besser schnell akzeptieren, sonst wird einem der Spaß am Film schnell abhanden kommen und die Geschichte und ihre Auflösung zum reinen Ärgernis werden.
Letzterem stellt sich aber eine gut aufgelegte Darstellerriege entgegen, die neben Shootingstar Shia LaBeouf (Indiana Jones 4) und der ebenso gefragten Michelle Monaghan (Nach 7 Tagen ausgeflittert) durch Oldtimer Billy Bob Thornton (Der Date-Profi) als FBI-Agent und einer resoluten Rosario Dawson (Clerks 2) als Agentin von der Air Force in tragenden Rollen ergänzt wird. Da bleibt für Michael Chiklis, Star der US-Cop-Serie ‚The Shield' nur eine wenig ergiebige Rolle als Verteidigungsminister, der im Gegensatz zum US-Präsidenten aber noch vernünftig Risiken beurteilen kann.
Wenn der Präsident auf andere Ratgeber vertraut und einen Kollateralschaden von 400 unschuldigen Menschen in Kauf nimmt um möglicherweise einen Terroristen zu töten, dann kann man das auch als Spitze gegen die Bush-Regierung deuten. So drastische Strafen für Fehleinschätzungen wie im Film gibt es aber zum Glück nicht in Wirklichkeit. Da möchte man noch an die Intelligenz des Wählers glauben, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Um als Politthriller durchzugehen fehlt Carusos Beitrag dann aber doch noch so einiges an Finesse.
"Eagle Eye - Außer Kontrolle" ist ein abwechslungsreicher Actionthriller mit schnellem Tempo und guten Einfällen um zwei Normalbürger, die zum Terrorakt gezwungen werden. Inhaltlich ist die Geschichte an manchen Stellen allerdings zugunsten eines Massenzielpublikums verschenkt. Trotzdem: Man verbringt äußerst unterhaltsame zwei Stunden und Shia LaBeouf überzeugt als unfreiwilliger Held in einer reiferen Rolle.
