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2009
Bilder © Universum Film
* Summertime Blues
marie reich


Dem pubertierenden Alex (Francois Goeske) wird von den Eltern mitgeteilt, dass er künftig als Scheidungskind durch die Welt gehen wird. Außerdem hat Vater bereits seine jüngere Geliebte geschwängert - pikanterweise eine früherer Schwarm des Buben! Mutter Diana (Karoline Eichhorn) nimmt's aber nicht schwer, hat bald darauf selbst einen Lover, mit dem sie für einen Sommerjob nach England zieht. Alex muss gegen seinen Willen mit und trifft auf zwei Mädchen, die bei ihm einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Grundlage für diese versuchte Sezierung jugendlicher Gefühlswelten ist der gleichnamige Roman von Julia Clarke. Den wählte die preisgekrönte 30jährige Kurzfilmregisseurin Marie Reich ("Musik nur wenn sie laut ist") auf Empfehlung ihrer Mutter (die auch den Film co-produziert) für ihr Langfilmdebüt aus. Mit dem Erwachsenwerden hatte sich Reich schon in früheren Arbeiten beschäftigt, u.a. schrieb sie das Drehbuch zu "Die wilden Hühner und das Leben". Was sie aus "Summertime Blues" macht ist allerdings kein unterhaltsames Coming-of-Age-Drama mit Tiefgang sondern eine kindgerechte, flache Rosamunde-Pilcher-Verfilmung, die vor Unerträglichkeiten nur so trieft.

Das Grundproblem ist schnell ausgemacht: Den Figuren, die hier präsentiert werden, mangelt es an Glaubwürdigkeit. Dies erreicht die Regisseurin durch eine Aneinanderreihung künstlich wirkender, fürchterlicher Dialoge (Mutter Uschi arbeitete am Drehbuch mit) und einer dazu verordneten Körpersprache, die selbst gestandene Darsteller wie Karoline Eichhorn ("Du bist nicht allein") und Alexander Beyer wie Karikaturen aussehen lassen. Vor allem aber enttäuscht der Hauptdarsteller, der 20jährige Francois Goeske. Auch kein Schauspielneuling, schleppt der sich mit ausdrucksloser Mimik (und spontanem Breitgrinsen) durch die Handlung. Mal den Pseudointellektuellen vorspielend, mal unglaublich naiv daherkommend (ein ödes Voice-over quält den ganzen Film über) und in keinster Weise zur Identifikationsfigur taugend.

Überhaupt wirkt das ganze Familienszenario mit seinem soften Touch, überzogener Verständnisattitüde und verkrampften Alibi-Konflikten fern jeglichem Realismus. Auch der Locationwechsel von Bremen nach Kent (Ortsdouble war vorwiegend die Bremer Schweiz!) bringt keine Besserung. Im Gegenteil, wird doch durch die Einführung weiterer oberflächlicher, ja geradezu fies nervender Figuren der Klischeereigen fortgesetzt. Alex' Mutter Diana hat ihren Job in Deutschland gekündigt um ihrem neuen Freund, dem Schauspieler Seth McElroy (ein falscher Fuffziger, der noch weniger Engländer ist als Paris Hiltons Chihuahua Tinkerbell), an das Set seiner neuen TV-Serie zu folgen. Seth hat eine neunmalkluge Tochter, Faye (Sarah Beck), auch Scheidungskind, die sich kurzfristig entschieden hat aus Amerika nach England zu fliegen, um vor ihren eigenen Problemen (Liebeskummer, was sonst) zu fliehen.

Überraschungsarme Zankereien zwischen den hormonell irritierten Teenagern folgen und der Auftritt eines Ökomädels (Zoe Moore) macht das Gefühlschaos des in Sache Liebe völlig ahnungslosen Alex perfekt. Viel erfährt man über die neue Protagonistin nicht, nur dass sie Louie heißt und gerne mal Straßen für den guten Zweck blockiert. Ansonsten kümmert sie sich rührend um streunende Tiere und pflegt die todkranken Seelen bis zur Genesung. Spätestens jetzt sollte das Herz der jungen Zuschauer aufgeregt pochen, wenn sie die nicht immer legalen Aktionen dieses weiblichen Robin Hoods verfolgen. Allen anderen sei es nicht verübelt, wenn sie den Blick gerne von der Leinwand wenden mögen und auf die Uhr schauen. Doch es kommt noch besser.

Der guten englischen Seele muss natürlich noch etwas entgegengesetzt werden. Auftritt einiger Snobs, die mit dem Anwesen der Eltern prahlen, sich in Luxuskarossen räkeln und üppige Parties veranstalten um sich Mädels aus dem Ausland, wie Faye, gefügig zu machen. Alex darf Retter sein - mehr als freundschaftliche Gefühle bahnen sich ihren Weg. Doch halt, da gibt es doch noch die gutherzige Louie, die charakterlich so viel mehr zu bieten hat. Für wen sich der junge Spund letztendlich entscheidet interessiert dann schon längst nicht mehr. Sehnlichst wird der Schlusspfiff dieses missratenen Beitrags zur Jugend- und Scheidungskultur erwartet. Zwei seichte Stunden unterstes Fernsehfilm-Niveau hat man dann überstanden und darf sich nur wundern, wie dieses Werk von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden mit dem "Prädikat wertvoll" eingestuft werden konnte.

"Summertime Blues" ist ein verkitschter, realitätsferner Jugendfilm, der mit schlechten Dialogen nervt und in Rosamunde-Pilcher-Ästhetik versumpft. Da wird selbst die Zahnspangenfraktion gelangweilt am Popcorn knabbern und "Hannah Montana - Der Film" zum Meisterwerk.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 16.08.2009

Summertime Blues

Deutschland 2009. Farbe. Originalsprache: Deutsch. Länge: 116 Min. Bildverhältnis: 1:1.85 Kinostart: 20.08.2009 (D). Budget: - Einspiel: - Regie: Marie Reich. Screenplay: Friederike Köpf, Uschi Reich, Robin Getrost. Kamera: Egon Werdin. Schnitt: Barbara von Weitershausen. Musik: Youki Yamamoto. Darsteller: François Goeske, Alexander Beyer, Karoline Eichhorn, Sarah Beck, Larissa Hartmann, Zoe Moore, Christian Nickel, Niklas Osterloh, Martin Tietjen, Laura Baade, Eveline Hall .

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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih