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2007
Bilder © Verleih
***** Du bist nicht allein
bernd böhlich


8.Stock, eine Plattenbausiedlung in Berlin. Hier wohnt Familie Moll. Vater Hans (Axel Prahl), gelernter Malermeister, arbeitslos. Frau Moll (Katharina Thalbach) , auch arbeitslos aber mit Jobaussichten. Und der schulpflichtige Sohn hat sein ganzes Leben noch vor sich. Als die Russin Jewgenia (Katerina Medveda) mit ihrer Tochter und ihrem Vater auf dem gleichen Stockwerk einziehen verursacht sie nicht nur bei Herrn Moll ein Gefühlschaos sondern auch der Nachbar Kurt Wellinek (Kurt Knaup), arbeitsloser Physiker und von seiner Frau Sylvia (Karoline Eichhorn) getrennt lebend, bemerkt die wohltuende frische Brise, die durch das Stockwerk zieht. Und damit fangen die Probleme des Lebens erst an.

Letztes Jahr hat der wunderbare Film ‚Sommer vorm Balkon' von Andreas Dresen knapp eine Million Zuschauer in bundesdeutsche Kinos gezogen und war damit unter den Top 10 der erfolgreichsten deutschen Produktionen von 2006. Auch Bernd Böhlichs ehrliche Milieustudie um Menschen, die nicht aufgeben und ihre zweite Chance suchen verdient diese Aufmerksamkeit. Denn die Geschichte zeigt in vielen Facetten ein Deutschland, das man in Ansätzen glaubt so zu kennen. Alltagsgeschichten, die auf den ersten Blick trist und nüchtern wirken können aber bei genauerem Hinsehen spannend, hochinteressant, nicht hoffnungslos und vor allem glaubwürdig erscheinen.

Regisseur und Autor Bernd Böhlich, der bisher fast ausschließlich fürs Fernsehen tätig war (u.a. verschiedene ‚Tatort'-Produktionen) versammelt eine Schar gestandener und aus dem Fernsehen bekannte Darsteller um sich, die in ihren Rollen begeistern. Axel Prahl, der wie kein anderer in den letzten Jahren sympathische Alltagsfiguren nicht nur verkörpert sondern lebt spielt hier einen im Gefühlswirrwar hin- und hergerissen Vater und Ehemann, der die attraktive neue Nachbarin nicht aus dem Kopf bekommt und dabei sein bisheriges Leben fast völlig ausblendet. Er hilft ihr tatkräftig beim Einzug und allem was so anfällt um in ihrer Nähe zu sein. Sehr komisch wird's dann auch wenn die russische und deutsche Lebensart beim Einzugsfest aufeinanderprallen und Hans Moll zögerlich und unter den misstrauischen Augen des Vaters von Jewgenia einen Roy-Black-Schlager zum Besten gibt.

Der Handlungsort Plattenbausiedlung bietet eine Vielzahl interessanter Charaktere und deren Lebensgeschichten, die mal ausführlicher ausgeführt oder nur kurz gestreift werden. Und das Thema Arbeitslosigkeit, das in Deutschland momentan knapp 4 Millionen Bundesbürger betrifft und die Auswirkungen auf Stimmungen und Verhalten der herausgegriffenen Personen werden von Böhlich mit Herzlichkeit und Humor geschildert ohne die Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben. Wie bei Frau Moll, gespielt von der wunderbaren Katharina Thalbach, die ihren Job als Wachfrau in Probezeit sehr ernst nimmt und ihre Uniform jeden Tag mit Stolz trägt. Ein ungeplanter Gang zum WC ist nicht drin, denn sie kann ihren Posten ja nicht verlassen. Also muss man sich anderweitig helfen.

Oder die emotionale Sequenz mit Herbert Knaup in der Arbeitsagentur, die gar nicht weit hergeholt erscheint. Er will sein Dasein nicht als Hartz IV-Empfänger fristen sondern Arbeit als Physiker. Vor allem will er mit Respekt behandelt werden. Es sind viele kleine Dinge im Film, die bei aller Ernsthaftigkeit einen feinen Humor versprühen. Unter anderem auch wenn Karoline Eichhorn in Erscheinung tritt. Sie verkörpert eine gelernte Schauspielerin, die sich aber mit der Synchronisation von Kindercomicserien und TV-Sex-Werbung über Wasser halten muss. Wenn sie Glück hat darf sie sich wie jeder andere arbeitslose Schauspieler bei den Castings um Rollen bewerben. Ob Dicke oder Dünne gefragt sind - Flexibilität kann sehr anstrengend sein.

Und Katerina Medvedeva in ihrer Rolle als bodenständiger, zupackender Russlanddeutschen offenbart überzeugend den inneren Konflikt von Jewgenia, ob sie dem Werben des hilfsbereiten, freundlichen aber verheirateten Hans nachgeben soll oder nicht. Klasse Nebenrollen habe zudem Matthieu Carrière als gelangweilter Regisseur im Synchronstudio, Dominique Horwitz als Motivationstrainer der Sicherheitsfirma und Jürgen ‚Motzki' Holtz als Rentner, der wirklich immer den Fahrstuhl benutzt und des öfteren zur falschen Zeit am falschen Ort auftaucht. Die Figuren haben die Sympathien des Zuschauers, keine Frage, bedauert werden sie aber nicht, denn sie haben sich selbst noch nicht aufgegeben. Sie brauchen allerdings einen kleinen Schubs, der sie aus der Lethargie und Monotonie des Lebens reißt.

Das Leben mag zwar manchmal trist erscheinen und in ‚Du bist nicht allein' gibt es sicher die eine oder andere Szene, die man selbst schon so oder in Variationen erlebt hat. Böhlich aber gelingt es durch seine genaue, aufmerksame und realitätsnahe Beobachtung und einer interessant verschachtelten Inszenierung aus dem Alltag ein bewegendes, berührendes Portrait von Menschen zu schaffen, die zwar hinfallen, aber auch wieder aufstehen und sich die Hoffnung auf eine zweite Chance erarbeiten. Das alles ohne Kitsch und Übertreibungen hinzukriegen ist wahrlich eine Kunst, die Böhlich hier beherrscht und mit Andreas Dresen gemeinsam hat.

‚Du bist nicht allein' ist ein toller, bewegender, spannender Einblick in das Alltagsleben von Menschen, die versuchen ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, die Monotonie des Lebens abzuschütteln und sich auch auf dem Arbeitsmarkt wieder eine Chance zu erarbeiten. Bernd Böhlichs glaubwürdige, realitätsnahe Inszenierung besticht zudem durch eine exzellente Besetzung und einer Fülle an tragikomischer Einfälle.


Text © Markus Klingbeil
VÖ: 27.08.2007

Filmtitel

(Originaltitel)

Land Jahr. Farbe o. s/w. Originalsprache: n/a. Länge: n/a Min. Bildverhältnis: n/a Kinostart: n/a (USA) n/a (D). Budget: n/a Mio. USD Einspiel: n/a Mio. USD (USA) Regie: n/a. Buch: n/a. Screenplay: n/a. Kamera: n/a. Schnitt: n/a. Musik: n/a. Darsteller: n/a.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih