2009
Bilder © Universal Pictures
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**** Radio Rock Revolution
richard curtis
1966. Rock-Songs im öffentlich-rechtlichen Radio der BBC fristen ein Mauerblümchendasein. Doch es gibt einen Piratensender, den halb Großbritannien einschaltet, weil dort 24 Stunden am Tag die Post abgeht. Und dieses "obszöne" Treiben ist der britischen Regierung ein Dorn im Auge.
Wann gab es den letzten richtig guten Musikfilm ? Wir hatten zuletzt vorwiegend Musicals im Kino z.B. mit den Songs von Abba (Mamma Mia!), der Beatles (Across the Universe) oder Stephen Sondheim (Sweeney Todd). Aber stellt man die Frage, so kommen einem doch eher ältere Werke in den Sinn, die meist auch ihren humoristischen Auftrag hatten (This is Spinal Tap, A Hard Day's Night). "Radio Rock Revolution" atmet den Geist solch' formidabler Filme wie "Almost Famous" und "High Fidelity". Richtig gute Musik in einer abwechslungsreichen Geschichte mit interessanten Charakteren. Und davon gibt es reichlich in der zweiten Regiearbeit von Richard Curtis. Jenem Mann, der zu den einflussreichsten Personen in Großbritannien zählt und mit Rowan Atkinson Comedyklassiker wie "Blackadder" und "Mr.Bean" (beide TV) kreierte sowie die Drehbücher zu den Publikums-Lieblingen "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" und "Notting Hill" schrieb. Der feine britische Humor, den seine Arbeit auszeichnet, findet sich auch unüberhörbar im aktuellen Projekt wieder. Das beschäftigt sich mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe von Radiomoderatoren, die munter von einem Schiff in der Nordsee die coolsten und angesagtesten Rocksongs spielten und aufgeregte Hörer mit akustischen Geheimtipps versorgten.
Sie waren selber Stars, weil sie sich gegen ein engstirniges, verknöchertes und in vieler Hinsicht kaum fortschrittliches Hörverhalten von Regierungsbeamten auflehnten, die die Musik für ihre Bürger filtern und vor dieser "schrecklichen" Musik schützen wollten. So war das damals in den 60er-Jahren und Richard Curtis sucht sich eine wunderbare Besetzung aus um diese vielen wohl unbekannte Geschichte zu erzählen. Philip Seymour Hoffman (Der Krieg des Charlie Wilson) spielt den Count, den Amerikaner unter den Briten. Und erneut unterstreicht Hoffman, dass er zu den besten Schauspielern zählt, die wir im Moment haben. Denn er scheint alles spielen zu können. Ob Drama oder Komödie, ob Trauerklos oder Bösewicht. Und auch hier macht es Spaß ihm bei der Arbeit zuzusehen. Das liegt aber auch an seinen guten Mitspielern in diesem unterhaltsamen, abwechslungsreichen Ensemblestück. Bill Nighy (Underworld 3) ist der lässige Kapitän des Rock Boats und ein guter zudem, Rhys Ifans (Elisabeth: Das Goldene Zeitalter) verkörpert den selbstbewussten Mega-Star der DJs mit extravagantem Outfit, dem keine Frau wiederstehen kann, der korpulente Nick Frost (Shaun of the Dead) ist ein gewitztes Bürschchen und schnappt dem unerfahrenen Neuling Tom Sturridge das kesse Mädel vor der Nase weg.
Aber letztendlich sind sie Teil einer großen Familie, die zusammensteht um den Machenschaften der Regierungsbeamten Dormandy und Twatt mit gehobenem Haupt zu trotzen. Die Buhmänner dieses Schauspiels werden dabei umwerfend komisch von Kenneth Branagh (Operation Walküre) und Jack Davenport (Fluch der Karibik) gespielt, die durch ihre verordnete Contenance angesichts des Treibens der Radio-Rebellen kurz vor dem Platzen sind. Deren Auftritte sind aber leider zu knapp gehalten. Und das bringt uns an den Punkt festzustellen, dass Regisseur Curtis es bei seinem zweistündigen Werk nicht schafft eine bessere Gewichtung der Spielanteile der vielen Charaktere zu erreichen. Insbesondere bei den verschiedenartig-verschrobenen DJs auf dem Schiff hätten sich viele Ansätze geboten etwas tiefer zu graben, mehr über die Figuren zu erzählen. Doch verschwendet Curtis insbesondere in der ersten Hälfte des Films zu viel Zeit mit dem 18jährigen Carl (gespielt von Tom Sturridge), der von der Mutter (famoser Gastauftritt von Emma Thompson) aufs Boot geschickt wird, damit er vor dem Ernst des Lebens noch ein paar Erfahrungen sammelt. Im folgenden bestaunt der junge Mann seine Idole, versucht mit tatkräftiger Hilfe seiner neuen Freunde die Jungfräulichkeit zu verlieren und gleichzeitig seinen ihm bis dato unbekannten Vater aus der Männer-Schiffs-WG herauszufischen.
Im Vergleich zu all den komischen, schrägen und vorwiegend extrovertierten Gesellen an Bord ist Carl junior aber die uninteressanteste Figur und seine eigene Mission verschleppt die Dramaturgie unnötigerweise. Die starke Fokussierung darauf wie ein junger Mensch an die Welt der Männer herangeführt wird kann wohl nur darauf abzielen auch ein jüngeres Zielpublikum ins Boot, pardon, ins Kino zu locken. Schade um die verschenkten Möglichkeiten. Als Stellvertreter für die vielen Millionen Hörer, die dem Piratensender ihre Aufmerksamkeit schenkten taugt er wenig. Da hätte Curtis auch ruhig mal genauer in die Wohnräume der Menschen schauen können anstatt uns nur dann und wann Schnipsel hinzuwerfen. Nichtsdestotrotz gibt es viele witzige Begegnungen und Ereignisse auf dem Schiff. Mit am einprägsamsten wohl die offen ausgetragene Rivalität bzw. der Wettstreit zwischen Hoffmans und Ifans DJ (inkl. Segelmasterklimmung) oder die Frauen-/ Groupiebesuche alle paar Wochen. Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt und man merkt ihnen die Spielfreude in jeder Minute an. Viele bekannte Namen tummeln sich da. Ein Talent hat man bisher noch wenig gesehen und das wird sich hoffentlich bald ändern. Der aus Neuseeland stammende Rhys Darby hat schon in seinem Spielfilmdebut an der Seite von Jim Carrey als menschelnder Vorgesetzter Norman in "Der Ja-Sager" geglänzt. Den Trend setzt er mit seinem ulkigen Auftritt in "Rock Revolution" fort.
Radio Rock Revolution: Das sind die farbenfrohen Swinging Sixties als Hintergrund für eine absurde aber wahre Geschichte um Radiorevoluzzer aus Großbritannien, die täglich 24 Stunden von einem Schiff in der Nordsee aus Rockmusik spielen. Das ist witzig dank einem klasse Darstellerensemble und trotz einiger dramaturgischer Schwächen nicht nur für Musikfreunde sehenswert. Yep, die eingespielten Songs sind klasse! 36 davon sind auf dem im Handel erhältlichen Soundtrack.
Text © Markus Klingbeil
VÖ: 08.04.2009
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Radio Rock Revolution (The Boat That Rocked)UK/D 2009. Farbe. Länge: 129 min Bildverhältnis: 1:2.35 Kinostart: 01.04.2009 (UK) 16.04.2009 (D) Budget: - Einspiel: - Regie: Richard Curtis. Screenplay: Richard Curtis. Kamera: Danny Cohen. Schnitt: Emma E. Hickox. Musik: - Darsteller: Bill Nighy, Gemma Arterton, Philip Seymour Hoffman, Rhys Ifans, Kenneth Branagh, January Jones, Nick Frost, Jack Davenport, Talulah Riley, Rhys Darby, Tom Sturridge |
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih
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