Home || Suchen || Aktuell || Kritiken || Festival & Co. || Coole Köpfe || Medien || Downloads || Links || Sitemap
Filmwahl > 0-9 | A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z

 
2012
Bilder © Sony
*** Django Unchained
quentin tarantino


Irgendwo in Texas 1858, der Sezessionskrieg zwischen dem Norden und dem Süden Amerikas steht noch bevor. Ein Sklave erhält von einem deutschen Kopfgeldjäger die Chance für Geld zu töten und seine verschleppte Frau aus den Händen eines Plantagenbesitzers zu retten.

Quentin Tarantino liebt Filme. Und hört man ihn ohne Punkt und Komma von seiner Leidenschaft und seinen prägenden Einflüssen erzählen dann darf man schon über sein angesammeltes Filmwissen staunen. Seit 20 Jahren verarbeitet der bald 50-jährige Regisseur nun schon seine Lieblingsfilme und -genres in seinen eigenen Werken. Ob Gangsterfilm, Blaxploitation-Hommage, asiatisches Martial-Arts-Kino, Kriegsstreifen oder B-Movie-Trash – Tarantinos Patchwork-Mission Lieblingsszenen und -themen neu verpackt und auf Popkultur getrimmt an den Mann zu bringen findet nun mit seiner achten eigenständigen Regiearbeit seine Fortsetzung. Diesmal knöpft er sich den (Spaghetti)-Western vor, denn in diesem Genre hat er viele Vorbilder gefunden. Darunter u.a. Sergio Leone, dessen „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) Tarantino als seinen ultimativen Lieblingsfilm preist, sowie Sergio Corbucci, der den als Kultfilm ausgerufenen „Django“ (ebenso aus dem Jahr 1966) gedreht hat.

Django, so heißt auch die Titelfigur in Tarantinos 165-minütigen Rachedrama. Er ist diesmal aber kein weißer Einzelgänger, der einen Sarg hinter sich herzieht sondern ein schwarzer Sklave, der als Ware gehandelt und brutal misshandelt wird, wenn er sich den skrupellosen Plantagenaufsehern widersetzt. Eine geschundene Seele also, die nichts mehr zu verlieren hat sondern nur gewinnen kann und sich auf einen Deal mit einem Ex-Zahnarzt einlässt, der seit einigen Jahren als Kopfgeldjäger durchs Land zieht. Da Saubermann Will Smith gekniffen hat spielt also Jamie Foxx (Collateral, Ray) den wortkargen Sklaven Django, dessen Ketten von Christoph Waltz (The Green Hornet, Wasser für die Elefanten) gesprengt werden. Der damalige TV-Schauspieler Waltz wurde 2009 von Tarantino für seine Naziabrechnung „Inglourious Basterds“ für Hollywood entdeckt und bekam auch gleich einen Oscar als bester Nebendarsteller. Die Figur des Hans Landa, die er damals spielte, war ein eiskalt-berechnender, intelligenter SS-Offizier mit gesellschaftlichen Manieren, der als Judenjäger berüchtigt war. Als Dr. King Schultz tritt Waltz nun wieder als Deutscher auf, der intelligent und wortgewandt ist und Menschen jagt. Aber er ist jetzt ein guter Deutscher, der steckbrieflich gesuchte Gesetzesbrecher zur Strecke bringt und keine Rassendiskriminierung fördert (interessanterweise sind keine Personen afroamerikanischer Abstammung auf seiner Abschußliste; entweder sortiert Schultz vorher aus, weil er ja gegen Sklaverei ist oder es gibt in Tarantinos Vorstellung anno 1858 keine Verbrecher mit dunkler Hautfarbe deren Porträt auf Wanted-Poster gedruckt ist). „Dead or alive“ heißt jedenfalls die Devise, wobei wir nie Zeuge werden, dass er Gefangene nimmt, wohl aber, dass er sehr gut mit seinem Revolver umgehen kann. Tote lassen sich eben leichter aufs Pferd schnallen und beim Sheriff zum Abkassieren der Belohnung abliefern.

Als Aufhänger für die Geschichte der beiden so unterschiedlichen Hauptfiguren dient die Suche nach drei Brüdern, die auf Plantagen als Aufseher ihr brutales Unwesen treiben. Schultz will das Kopfgeld, weiß aber nicht wie die Typen aussehen. Django hingegen kennt die Burschen nur zu gut; sie haben ihn und seine Frau misshandelt, gedemütigt und als Strafe für Fluchtversuche wurden beide getrennt weiterverkauft. 25 Dollar Anteil pro Bruder und die eigene Freiheit verspricht Schultz Django, wenn er alle Plantagen mit ihm abklappert, die Brüder aufspürt und der Auftrag ausgeführt wird. Ein Mangel an lukrativen, richterlich abgesegneten Aufträgen hat Schultz nicht wie wir im Verlauf der Geschichte sehen werden. Da fragt man sich im Nachhinein warum Schultz sich überhaupt so eine große Mühe macht und das Risiko eingeht erst einen ihm fremden Sklaven zu befreien und dann darauf zu hoffen, dass der auch helfen kann die Zielpersonen zu finden, zu identifizieren und zu liquidieren. So ist es zunächst also der Film von Christoph Waltz. Er ist derjenige, der den Ton angibt, den Western zur Komödie macht und mit abrupten Gewaltausbrüchen in Form lapidaren Abfeuerns von Revolverkugeln zwecks Tötung immer Herr der Lage ist. Django, unserem noch aufzurüttelnden Held, bleibt da nur die Passivrolle. Nette Einfälle bestimmen das erste Drittel des Films und Waltz kann sich verbal austoben und seine rhetorische Überlegenheit demonstrieren. Noch schätzt man Tarantinos wortreiche Verspieltheit, doch ausgerechnet wenn der erste prominente Gastauftritt absolviert wird (Ex-Miami-Vice-Star Don Johnson) und Tarantino eine auf billige Lacher abzielende Veralberung von einer Rassisten-Posse zu Pferde einwirft schüttelt man ungläubig den Kopf. Versucht hier Tarantino gerade einen auf Mel Brooks zu machen ?

Der Gag mit idiotischen Typen und Löcher in den Kapuzen geht furchtbar daneben und auch dramaturgisch hängt der Film im folgenden erst einmal lange durch. Jetzt beginnt nämlich die zweite Mission, die da lautet: Django fit machen zum Revolverhelden und ihm das Killerhandwerk beibringen. Dann den Plantagenbesitzer aufsuchen, der Djangos Frau gekauft hat, sie auslösen und die Eheleute in Freiheit wieder zu vereinen. Wer Tarantinos Filme kennt, weiß um dessen Dialogverliebtheit. Er, der bei allen Filmen bei denen er Regie geführt hat auch das Drehbuch geschrieben hat, zeigte bereits bei „Kill Bill Vol.2“ dass er das Gespür verloren hat, wann eine Anekdote, ein langer Monolog seinen Höhepunkt erreicht hat und beendet werden muss. Mit vielen kleinen Geschichten innerhalb dieser Inszenierung überfrachtet Tarantino auch „Django Unchained“. Das fiel schon bei „Inglourious Basterds“ negativ auf. So kippt ein potentiell witziger, kurioser, interessanter Wortbeitrag um und fällt in die Schublade mit der Aufschrift „Geschwätzigkeit“. Oder „Belanglosigkeit“. Weder macht das die ausführenden Personen interessanter noch bringt es die Geschichte wesentlich, wenn überhaupt weiter. Hat Waltz zunächst die verbale Oberhand wird die nach einer Weile von einer neuen Figur für sich reklamiert. Wenn Leonardo DiCaprio (J.Edgar, Inception) auf der Bildfläche erscheint wird die schläfrige Geschichte wieder zu neuem Leben erweckt. DiCaprio spielt Calvin Candie, den wohlhabenden Erben einer Mississippi-Großplantage, dessen größtes Vergnügen es ist zwei Sklaven miteinander bis zum Tode kämpfen zu sehen und darauf zu wetten. Diese perverse Leidenschaft wollen sich Schultz und Django zu Nutze machen. Aber auch hier füttert Tarantino seinen Star mit endlosen Wortreihen, die kaum beeindrucken.

Immerhin: DiCaprio gegen den Typ besetzt ist eine interessante Entscheidung, Waltz spielt souverän aber ist das wirklich oscarwürdig ? Sehen wir hier nicht nur eine Variation eines Landa, die ja schon ausgezeichnet wurde ? Und was ist mit Jamie Foxx ? Als Titelheld darf er erst im finalen Akt so richtig explodieren und in zwei Comicgewaltexzessen die Blutfontänen freigeben. Aufregend sind diese Szenen letztlich nicht, selbst wenn es hier dutzende bewaffnete Männer mit einem Mann aufnehmen. Tarantino muss in seinem Leben unzählige Shootouts in den Western der alten Meister gesehen haben. Er müsste wissen wie man diesen Höhepunkt wirkungsvoll inszeniert. Aber er kriegt es nicht hin. Diese Szenen wirken lieblos in die Geschichte eingeworfen, abgesehen davon, dass sie sich auf engem Raum abspielen und sich Tarantino damit selbst Inszenierungsfreiraum nimmt. Dass die Zielgenauigkeit der Gegner gleich Null ist macht die Sache nicht spannender. Richtig nachhaltig und positiv überraschen tut uns Tarantino in seiner Genrehuldigung nur einmal. Und zwar mit der von Samuel L. Jackson verkörperten Figur des Haussklaven Stephen. Jackson sollte spätestens seit dem Porträt der Kultfigur Jules Winnfield aus Tarantinos „Pulp Fiction“ (1994) dem Filmfan ein Begriff sein. Eine Oscarnominierung war der Lohn. Seitdem hat er in weit über 50 anderen Filmen gespielt. Seine Darstellung in „Django Unchained“ gehört sicher zu den eindrucksvollsten, weil Stephen ein gerissener Bursche ist, der in seinen knapp 80 Lebensjahren alles gesehen, die Weißen und die Schwarzen studiert hat und genau weiß was er tun, wen er manipulieren muss um seinen Lebensstandart zu halten. Hat er Mitleid mit einem schwarzen Bruder und seiner traurigen Geschichte ? So richtig kann man Stephen und seine Loyalität zu Calvin Candie nicht einschätzen, was den Reiz dieser Figur ausmacht.

Es gibt noch einige andere bekannte Gesichter aus amerikanischen Filmen und TV-Serien zu entdecken. Walton Goggins (Justified, The Shield), Altmime Bruce Dern (Familiengrab, Der große Gatsby), Jonah Hill (21 Jump Street, Moneyball), Special-Effects-Meister Tom Savini, der einem Sklaven die Hunde auf den Hals hetzt, oder Michael Parks als Sklavenhändler, der regelmäßig in Minirollen in Tarantinos Filmen oder denen von Robert Rodriguez auftaucht. Franco Nero, der Ur-Django schaut auch mal kurz vorbei. Tarantino selbst kann es nicht lassen und übernimmt eine Rolle als dummer, übergewichtiger Sklavenhändler, den der Job buchstäblich zerreißt. Glücklicherweise ist dieser an Peinlichkeit grenzende Auftritt nur von kurzer Dauer. Von wem man aber leider viel zu wenig sieht und hört ist Brunhilde (!), die Frau Djangos und Grund dafür, dass hier überhaupt zwei Drittel an Filmhandlung existiert. Kerry Washington machte vor einigen Jahren Eindruck als Anwältin in der Serie „Boston Legal“ auch wenn sie nur in ein paar Folgen mitspielen durfte und hatte auch schon Nebenrollen in größeren Kinofilmen (Der letzte König von Schottland, Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer). Mittlerweile ist sie Hauptdarstellerin in einer neuen Serie namens „Scandal“. In „Django Unchained“ ist sie fast ausschließlich zum Leiden verdonnert. Sie wird geschlagen, ausgepeitscht, nackt in eine im Erdboden vergrabene Metallkammer gesteckt (dieser Teil der Dreharbeiten hat ihr einige Alpträume verschafft gab sie in einem Interview zu Protokoll) und man drückt ihr ein Brandzeichen auf die Wange. Wenige Szenen hat sie, nur wenige Sätze darf sie sprechen. In Rückblenden bzw. Visionen Djangos bekommen wir Washington sekundenweise zu sehen. Starke, handlungsaktive Frauen wie sie so oft in Tarantinos Filmen zu sehen sind gibt es hier nicht.

Schleppt sich „Django Unchained“ nach einem vielversprechenden Auftakt also leider etwas zäh dahin und erstickt den Glauben an und die Hoffnung auf einen kreativ-überraschenden Regisseur wie wir ihn in seiner ersten Schaffensdekade erlebt haben so muss man Fanboy Tarantino doch wieder für seine Soundtrack-Auswahl loben. Er bedient sich dabei sowohl kultiger Westernsongs als auch einer Reihe anderer musikalischer Stilrichtungen, die bis zum Rap reichen. Das mag vielleicht nicht bei jedem Einzelbild so toll wirken ist aber als Standalone-Compilation für den CD-Player ein kaum auszuschlagendes Angebot. Sein gutes Händchen bei der Musikauswahl hat er wenigstens nicht verloren. Auch bei der Bildsprache machen er und sein oscarprämierter Kameramann Robert Richardson (Hugo Cabret) vieles richtig. Das Gefühl hier ein episches Werk zu sehen stellt sich aber nicht im entferntesten ein. Ob Tarantinos von der US-Kritik mit Lob überschüttete Westernhommage den Test der Zeit besteht wie so manche Werke der großen Genre-Regisseure wie Howard Hawks, John Ford, John Sturges, Sergio Leone und wie sie alle heißen darf bezweifelt werden. Für Gesprächsstoff hat der Film aber gesorgt - sei es weil er das Thema Sklaverei, einen Schandfleck der US-Geschichte thematisiert, wegen der brutalen Gewaltszenen, dem häufigen Gebrauch des rassistischen „Nigger“-Wortes (was u.a. den afroamerikanischen Regisseur Spike Lee auf die Palme brachte obwohl der den Film nicht gesehen hat und auch nicht sehen will) oder das Handling von Merchandiseprodukte zum Film (Puppen der Hauptfiguren mussten nach Protesten aus dem Handel genommen werden). Längst hat „Django Unchained“ nicht nur bei Preisverleihungen ein Wort mitzureden auch das Publikum strömt weltweit zu den Vorstellungen womit der kommerzielle Erfolg dieses Projekts schon gesichert ist.

Ein überschätzter Tarantino versinkt weiter im Mittelmaß. Diese Erkenntnis bestätigt sich schon weit bevor der Film nach fast drei langen Stunden sein inhaltlich wenig überraschendes Ende findet.

Text © Markus Klingbeil
31.01.2013

Django Unchained

USA 2012. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 165 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 25.12.2012 (US) 17.01.2013 (D). Budget: 100 mio. USD Einspiel: n/a Regie: Quentin Tarantino. Drehbuch:Quentin Tarantino. Kamera: Robert Richardson. Schnitt: Fred Raskin. Musik: div. Songs Darsteller: Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington, Samuel L. Jackson, Walton Goggins, Don Johnson, Franco Nero, Bruce Dern, M.C. Gainey, Jonah Hill, Tom Savini, Michael Parks .
Suchen || FAQ || Impressum || Sitemap
© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih