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1976
Bilder © Image Entertainment
**** Assault - Anschlag bei Nacht
john carpenter


Gewalttätige Auseinandersetzungen beherrschen South Central Los Angeles. Als mehrere Kriminelle von der Polizei quasi hingerichtet werden beschließt eine Multikulti-Gang Vergeltungsaktionen und erschießt willkürlich zwei unbeteiligte Passanten. Die Gewaltspirale verlagert sich in ein kurz vor der Schließung befindliches personell nur noch notdürftig ausgestattetes Polizeirevier.

"Dark Star - Finsterer Stern", seinen Debütfilm, drehte Regisseur John Carpenter über mehrere Jahre, ständig darum bemüht weitere Geldmittel für sein Projekt zu organisieren. Mit wenig Geld, um die 100.000 US-Dollar, musste er auch für seinen zweiten Film auskommen, der Hommage an seinen Lieblingsregisseur Howard Hawks. "Assault on Precinct 13" (ursprünglicher Titel: The Anderson Alamo) ist Carpenters moderner Western, ein Exploitation-Action-Film wie er ihn selbst bezeichnet, der sich an "Rio Bravo" (1959) mit Westernlegende John Wayne orientiert. Und es ist schon beeindruckend wie routiniert der zu Drehbeginn gerade mal 27-jährige Carpenter die Mehrfachbelastung dieses Low-Budget-Werkes schulterte. Er schrieb außerdem noch das Drehbuch, schnitt den Film (unter dem Pseudonym John T. Chance; der Name von Waynes Sheriff in "Rio Bravo" ), sorgte für den einprägsamen Synthesizer-Musikscore (in nur drei Tagen produziert) und leistete seinen Beitrag bei der Geräusche-Vertonung in der Post-Produktion.

Man merkt schon deutlich den Unterschied zu heutigen Produktionen, die ein viel schnelleres Erzähltempo haben und mehr Kameraperspektiven zu einzelnen Szenen bieten. Die hier angewandte ökonomische Art des Filmens, wenig Filmmaterial verbrauchen aber dafür aussagekräftige, dem Plot dienliche Bilder zeigen, wirkt aber in keinster Weise langatmig oder billig. Im Gegenteil, denn dadurch das Carpenter zum ersten Mal im Cinemascope (oder Panavision)-Format experimentiert und die Einzelbilder eine längere Verweildauer haben kann man als Betrachter in Ruhe die Raumsituation erfassen. Geschliffene Steadicam-Bilder gibt's hier allerdings noch nicht. Die sieht man bei Carpenter erst zwei Jahre später in "Halloween - Die Nacht des Grauens". Die Zeit, die zunächst in die Einführung der verschiedenen Charaktere und deren schicksalhafter Begegnung in einer eigentlich schon geschlossenen Polizeistation investiert wird zahlt sich früh aus, denn die Darsteller überzeugen durch ihr Spiel.

Angefangen von Austin Stoker als freundlicher Deputy Sheriff Ethan Bishop, der jede Person selbst in Stresssituationen mit Respekt behandelt, egal ob Krimineller oder Kollege. Wenn wir ihn zu Beginn seines Arbeitstages gutgelaunt sein Haus verlassen sehen, dann ahnt er nicht, dass er sich wenige Stunden später in einer Polizeistation verbarrikadieren muss, weil Dutzende von schwerbewaffneten Gang-Mitgliedern es auf eine Person in seiner Mitte abgesehen haben. Da ahnt er nicht, dass er sich mit einem Mörder arrangieren muss um zu überleben. Lässig gespielt wird der von Darwin Joston (Eraserhead), der immer einen lakonischen Spruch auf den Lippen hat und an sich gesehen wie ein respektabler Bursche wirkt. So wie sich Stoker und Joston mit Anstand und Professionalität begegnen, keine Konflikte wegen unterschiedlicher Hautfarbe oder Standpunkt zum Gesetz suchen, könnte man fast glauben, das wäre eine Freundschaft wert in einem anderen Leben. Die Selbstzerfleischung einer Notgemeinschaft steht ja sonst immer ganz oben; diesen dramaturgischen Anschub braucht der Film aber nicht.

Überhaupt wirken die meisten Handlungsabläufe nachvollziehbar und auch die Actionszenen haben in ihrer Härte auch nach über dreißig Jahren kaum etwas von ihrer abschreckenden Wirkung verloren. Womit heute wohl kein amerikanischer Film mehr durchkommen würde ist die sichtbare Tötung eines ganz normalen Kindes - kein Zombieprodukt oder Ausgeburt der Hölle - hier der Knackpunkt der Story, der dafür sorgt, das das Böse (eine unübersichtliche, anonyme Schar von Gangmitgliedern) die Polizeistation belagert (Carpenter hatte die Zensurbehörde ausgetrickst indem er ihnen eine Version ohne die Todesszene vorlegte, den Film aber mit der beanstandeten Szene in die Kinos brachte). Wie so viele Carpenter-Filme ist auch "Assault" neu gedreht worden. Der Franzose Jean-Francois Richet drehte 2005 das modernisierte Remake mit Ethan Hawke (Gattaca, Training Day) und Laurence Fishburne (Matrix, Armored) in den Hauptrollen. Das wollte aber kaum einer sehen. Richet rehabilitierte sich drei Jahre später mit dem fulminanten zweiteiligen französischen Gangsterdrama "Public Enemy No.1".

Sein Landsmann Florent Emilio Siri machte aus dem "Assault"-Thema im äußerst unterhaltsamen Streifen "Das tödliche Wespennest" (2002) ein grandioses Actionspektakel, das für Leuchten im Auge jedes Adrenalinjunkies sorgen sollte. Leider kam dieser Film aus unserem Nachbarland nie regulär in die deutschen Kinos sondern wurde nur auf DVD veröffentlicht. Ein anderer Film, der "Assault" zitiert war hingegen in unseren Kinos zu sehen - "From Dusk Till Dawn" (1995). So wie John Carpenter ein Fan von Howard Hawks ist so hat auch Carpenter selbst Fans unter Regiekollegen. In Robert Rodriguez' und Quentin Tarantinos Gangster-/Vampir-Kultstreifen trägt nicht nur einer der Protagonisten ein T-Shirt mit dem Aufdruck von Carpenters Film und muss sich eine Zweckgemeinschaft in einer Biker-Bar vor den Bösen draußen verbarrikadieren. Auch das "zwei Kugeln übrig, soll ich sie für uns aufbewahren"-Zitat wird übernommen.

Für Carpenter war "Assault" zwar der zweite abendfüllende Spielfilm aber zum ersten Male drehte er am Stück, d.h. drei Wochen lang mit anstrengenden Arbeitstagen bis zu 24 Stunden am Set. Eine neue Erfahrung für ihn, die ihm zeigte was es bedeutet ein echter Filmemacher zu sein. Zum ersten Male arbeitete er auch mit Debra Hill zusammen, die von 1978 ("Halloween - Die Nacht des Grauens") bis zu ihrem Tode 2005 (im Alter von nur 54 Jahren) Produzentin vieler seiner Kinofilme war und mit ihm auch die Drehbücher zu "Halloween", "The Fog - Nebel des Grauens" und "Flucht aus L.A." schrieb. Die Schauspieler Charles Cyphers und Nancy Loomis tauchten in den nächsten Jahren noch in mehreren Carpenter-Filmen auf. Für Darwin Joston, in den 70ern ein Wohnungsnachbar Carpenters, war in den Folgejahren außer Gastrollen in TV-Serien und in "The Fog" nicht mehr viel drin und er beendete seine Schauspielkarriere 1986, arbeitete bis zu seinem Tode 1998 als Fahrer bei diversen Filmproduktionen. Laurie Zimmer, die in "Assault" ein gutes Kinodebüt als nervenstarke Bürokraft hinlegt, war auch keine Zukunft im Filmbusiness vergönnt. Oder sie hatte bessere Alternativen.

DVD (Image Entertainment, NTSC, Code 1)

Die US-DVD bietet ein fast fehlerfreies, anamorphes Cinemascope-Bild (2.35:1), englischen Originalton in Mono sowie die Möglichkeit den Film nur mit dem Musikscore zu sehen. Als Extras bietet diese 2003 veröffentlichte Special Edition zwei Radio Spots, eine Bildergalerie (Produktionsnotizen als Slideshow, 17 min), den offiziellen Kinotrailer (etwas ramponiert aber im (1.78:1) 16:9-Format) und eine 23-minütige launige Q & A-Session mit John Carpenter und Austin Stoker vor Publikum (vom 25.01.2002). Ein informativer, durchaus selbstkritischer Audiokommentar mit dem Regisseur rundet diese gute DVD-Veröffentlichung ab.

Mit bescheidenen Mitteln erreicht John Carpenter das Bestmögliche. Einen spannenden, schön fotografierten Thriller, dessen ruhiger Inszenierungsstil dank interessant gestalteter Charaktere nie zum Nachteil wird.


Text © Markus Klingbeil
VÖ: 31.10.2010

Assault - Anschlag bei Nacht

(Assault on Precinct 13, Das Ende)

USA 1976. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 91 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 05.11.1976 (USA) 09.03.1979 (D). Budget: 100.000 USD Einspiel: n/a Regie: John Carpenter. Buch: John Carpenter. Kamera: Douglas Knapp. Schnitt: John Carpenter. Musik: John Carpenter. Darsteller: Austin Stoker, Darwin Joston, Laurie Zimmer, Martin West, Tony Burton, Charles Cyphers, Nancy Kyes aka Nancy Loomis, Peter Bruni, John J. Fox.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih