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2014

Bilder © Warner Bros.
*** Inherent Vice - Natürliche Mängel
paul thomas anderson


Los Angeles, 1970. Ein Privatschnüffler will einer alten Freundin helfen und stößt im Zuge seiner Ermittlungen auf ein Drogenkartell.

Es gibt immer noch genug Kritiker, die Paul Thomas Anderson für jeden seiner Filme feiern, weil er eben keine Mainstreamfilme dreht und gerne in epischer Breite seine vielen Darsteller durch ein manchmal schwer durchschaubares Geflecht an Erzählsträngen schickt. Seine Produzenten erhoffen sich von Beginn an keine großen Gewinne sondern wohl eher Prestige und Filmpreise. Anderson selbst ist bereits sechs Mal für den Oscar nominiert worden (4x Drehbuch, 1x Regie, 1x Produzent), größte Aufmerksamkeit erhielt er für „There Will Be Blood“ (2007), eine Geschichte über den Aufstieg eines Ölbarons. Acht Oscarnominierungen führten damals zu zwei Gewinnen (Bester Hauptdarsteller, Beste Kamera); weltweit spielte der für 25 Mio-US-Dollar produziert Film 76 Mio. USD ein (sonst Einnahmen für Andersons Filme bei 24-48 Mio USD). „Inherent Vice“ ist Andersons siebte Spielfilm-Regiearbeit und leider kann er es wieder nicht lassen eine nicht durchgängig interessant inszenierte Story auf Überlänge zu strecken (148 min!). Dieses Problem kennt man von „Magnolia“ (188min), „There Will Be Blood (158min) und zuletzt „The Master“ (144min). Nur mit seinem zweiten Film „Boogie Nights“, seinem bestem Film bis heute, den er als 26-jähriger vor fast 20 Jahren inszenierte, ist es ihm gelungen jeden Anflug von Langeweile in 2 ½ Stunden Erzählung im Keim zu ersticken - weil alles stimmig war (auch Kamera, Soundtrack).

Wie „Boogie Nights“ spielt auch „Inherent Vice“ im Los Angeles der 1970er. Beruhend auf dem Roman von Thomas Pynchon, der zum ersten Mal eines seiner Bücher zur Verfilmung freigab, muss sich ein drogenbenebelter Joaquin Phoenix, den alle nur „Doc“ nennen, eine komische Geschichte von Ehebetrug, Kidnapping und Einweisung in die Psychiatrie anhören. Und es geht natürlich um eine Menge Geld. Jedenfalls malt seine plötzlich vor ihm stehende Ex-Geliebte Shasta Fay (Katherine Waterston, TVs Boardwalk Empire) ein solches Szenario, das eintreffen könnte und ihr Sorge macht, weil sie die Geliebte des Opfers, einem einflussreichen Baulöwen (Gastrolle: Eric Roberts) ist. Es kommt wie es kommen muss, Hippie-Stoner Doc sticht in ein Wespennest, das Arierschläger, Zahnärzte, Immobilienhaie und Heroindealer aufschreckt und seine Ex sucht das Weite. Ohne Aktionismus verfolgen wir mit ruhigen Schritten die Ermittlungen des von Gedächtnisaussetzern geplagten, aber lizenzierten Privatdetektivs, der auf der Suche nach dem verschwundenen Liebhaber Shastas allerhand skurrile Gestalten trifft, die ihn mit Hinweisen füttern. Das macht für ihn und den Zuschauer nicht immer Sinn und ein Spannungsaufbau kommt nicht zustande. Vielmehr verzettelt sich Anderson in seinen Episoden, so dass die Auflösung des Falles in den Hintergrund gerät.

Bekannte Hollywoodgesichter besetzt Anderson für seine Reise in die Vergangenheit. Joaquin Phoenix (Her) übernimmt nach „The Master“ wieder die Hauptrolle (kurzfristig hatte der Regisseur Robert Downey.jr eingeplant, ihn dann aber doch für den Part als zu alt befunden) und spielt mit Hingabe, aber nicht so überdreht wie damals Johnny Depp in Terry Gilliams Drogentrip „Fear and Loathing in Las Vegas“. Phoenix' intensives Spiel sorgt für viele abwechslungsreiche Momente. Urkomisch ist die Performance von Josh Brolin (Sin City 2: A Dame to Kill for), die Karikatur eines mit Komplexen beladenen Gesetzeshüters, Kampfname Bigfoot. Mit Möchtegern-John-Wayne-Attitüde schert er sich nicht um Bürgerrechte und pflegt seine Haß-Liebe zu Doc. Lange nicht mehr gesehen hat man Martin Short (Die Reise ins Ich), der als Rauschmittel und Sex liebender, durchgeknallter Zahnarzt einen irrwitzigen Auftritt hat. Von Benicio Del Toro (Wolfman) als gerissenem Anwalt hätte man gerne mehr gesehen, Reese Witherspoon (Woher weißt du, dass es Liebe ist ?) als Staatsanwältin und Owen Wilson (Midnight in Paris) in der Rolle eines unglücklichen Saxophon spielenden Spitzels hinterlassen keinen bleibenden Eindruck. Sich jenen verschaffen wollten in Amerika nicht besonders viele Zuschauer. „Inherent Vice“ lief im Dezember in einer handvoll Kinos um für die Oscars „wählbar“ zu sein und wurde im Januar mit knapp 700 Kopien gespielt (bei „There Will Be Blood“ waren es noch doppelt so viele). Nach 55 Tagen hat der Film gerade mal ein Drittel seines Budgets eingebracht.

Paul Thomas Andersons neuer Film sieht gut aus, hat viele amüsante, schräge Momente aber dramaturgisch leider auch viel Leerlauf zu bieten. So werden die oft ziellos wirkenden Ermittlungen eines gut aufgelegten Joaquin Phoenix zum Geduldsspiel.

Text © Markus Klingbeil
06.02.2015

Inherent Vice - Natürliche Mängel

USA 2014. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 148 Min Bildverhältnis: 1.85:1 Kinostart: 12.12.2014 (US) 12.02.2015 (D). Budget: 25 Mio. USD Regie: Paul Thomas Anderson. Drehbuch: Paul Thomas Anderson. Romanvorlage: Thomas Pynchon Kamera: Robert Elswit. Schnitt: Leslie Jones. Musik: Jonny Greenwood. Darsteller: Joaquin Phoenix, Josh Brolin, Joanna Newsom, Benicio Del Toro, Owen Wilson, Jena Malone, Reese Witherspoon, Martin Short, Michael Kenneth Williams, Hong Chau, Eric Roberts, Serena Scott Thomas.
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