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2011
Bilder © Delphi Filmverleih
*** The Artist
michel hazanavicius


Hollywood 1927. Stummfilmstar George Valentin hält sich für unbesiegbar und verschläft den Übergang zum Tonfilm. Die aufstrebende Tänzerin Peppy Miller, ein großer Fan von Valentin, nutzt den Wechsel zu ihrem Vorteil.

Als im Mai 2011 die dritte Zusammenarbeit von Regisseur Michel Hazanavicius und Frankreichs Topstar Jean Dujardin bei den Filmfestspielen in Cannes Premiere hatte begann der Hype. „The Artist“ wurde von den Kritikern umjubelt, Dujardin erhielt die Auszeichnung als bester Darsteller. Unzählige Preise folgten und insbesondere Golden Globe- und Oscarnominierungen haben dem Film zusätzliche Aufmerksamkeit gebracht. Aber allein schon die Tatsache, dass ein Filmemacher in Zeiten digitaler Hochrüstung und verordnetem 3D-Wahnsinn den Mut hat für 15 Millionen Dollar einen schwarz-weiß Stummfilm im 1.37:1-Bildformat zu drehen und damit eine goldene Ära feiert, die über 80 Jahre zurückliegt ist schon eine Schlagzeile wert. Schon mehre Jahre spielte Hazanavicius mit dem Gedanken an so ein Projekt doch erst mit zwei lokalen Boxofficehits im Rücken (die beiden OSS 117-Filme) war eine Realisierung möglich.

In der Hauptrolle sehen wir Jean Dujardin, der in der Vergangenheit bewiesen hat, dass er sowohl in ernsten (Counter Investigation) als auch in komischen (als französicher Spion in den OSS 117-Filmen) Rollen überzeugen kann. Er spielt den eitlen, nach Aufmerksamkeit lechzenden Filmstar, der seinen Status, seinen Ruhm bis zum überletzten Moment auskostet. Es schmeichelt ihm sehr, dass ihn die junge Tänzerin Peppy Miller (gespielt von Hazanavicius Ehefrau Bérénice Bejo, trat an der Seite von Dujardin in „OSS 117 – Cairo, Nest of Spies“ auf) glühend verehrt und gönnerhaft lässt er seine Beziehungen spielen um ihr den Eintritt ins Filmbusiness zu erleichtern. Schon ein unschuldiges gemeinsames Foto auf der Titelseite erzürnt aber bereits seine verkniffene Ehegattin (Penelope Ann Miller, Das Relikt) was eine stürmische Liaison zunächst verhindert. Doch bevor das Drama beginnt steht der Film ganz im Zeichen der Komödie, ist äußerst unterhaltsam und erfreut das Cineastenauge mit einer wunderbaren Bildgestaltung, die uns dank einer exzellenten Setausstattung perfekt in das Filmbusiness der 1920er zurückversetzt. Wie damals üblich gibt es dazu einen Musikscore, der hier auch mit bekannten Filmzitaten gespickt ist (z.B. aus „Vertigo“) und die eingeblendeten Schrifttafeln – denn ganz ohne Text kommt man auch nicht aus.

Die Geschichte allerdings schreitet leider arg vorhersehbar voran und die Filmkunst-Anfangseuphorie wechselt in einen Ernüchterungszustand. Der tiefe Fall des hochmütigen Filmstars, Fehleinschätzungen und Weltwirtschaftskrise ab 1929 sind zwei Gründe dafür, und der parallele Aufstieg der unbedeutenden Tänzerin zum umjubelten, fröhlichen Schauspielstar der „Talkies“, der Tonfilme, ist so visuell melodramatisch überzeichnet inszeniert, dass Text eigentlich nicht benötigt wird. So hängt der Film im Mittelteil dramaturgisch leider etwas durch was im Gesamteindruck doch negativ hängenbleibt. Es lohnt sich dennoch den mit viel Liebe zum Detail gedrehten Film wenigstens einmal gesehen zu haben, denn nicht nur die beiden Hauptdarsteller sind großartig sondern auch ihre Mitspieler wie z.B. James Cromwell (Surrogates - Mein zweites Ich) als loyaler Butler Clifton oder John Goodman (Die Päpstin) als Zigarre paffender Filmproduzent zeigen ihre guten wortlose Qualitäten. Ach ja, einen lustigen kleinen Hund, der allen fast die Show stiehlt, gibt es auch noch. Dujardin hat seine Figur übrigens nach den damaligen Stars John Gilbert und Douglas Fairbanks modelliert während Bérénice Bejo u.a. intensiv Marlene Dietrich-Filme studiert hat. Wie gut sie das umgesetzt haben, davon haben sich in Frankreich 1.5 Mio. Zuschauer überzeugen wollen.

Zwar nicht ganz so gut wie es einem die vielerorts vernommenen Lobeshymnen weismachen wollen aber wer ein Faible für Old-Old-School-Filme hat und mal was anderes sehen will als Mainstreamkino, der findet hier ein interessantes Alternativprogramm.


Text © Markus Klingbeil
24.01.2012

The Artist
(The Artist)

Frankreich 2011. s/w. Originalsprache: ohne. Länge: 100 min. Bildverhältnis: 1.37:1 Kinostart: 12.10.2011 (F) 26.01.2012 (D). Budget: 15 Mio. USD Einspiel: n/a Regie: Michel Hazanavicius. Screenplay: Michel Hazanavicius. Kamera: Guillaume Schiffman. Schnitt: Anne-Sophie Bion, Michel Hazanavicius. Musik: Ludovic Bource. Darsteller: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, James Cromwell, John Goodman, Missi Pyle, Penelope Ann Miller, Beth Grant, Ed Lauter, Malcolm McDowell, Nina Siemaszko.

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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih