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2008
Bilder © Filmverleih
***** The Wrestler
darren aronofsky


Ein alternder Profi-Wrestler (Mickey Rourke) verdient sich seinen kargen Lebensunterhalt mit Amateur-Showkämpfen und als Arbeitskraft im Supermarkt. Die Chance vergangenen Ruhm zu kosten bekommt er bei einem prestigeträchtigen Re-Match mit einem früheren Rivalen. Doch die vergangenen 20 Jahre haben neben einem zerrüttetem Verhältnis mit der Tochter auch gesundheitlichen Tribut gefordert.

Wenn man sich die Figur des Wrestlers Randy‚ The Ram' Robinson genauer ansieht und bestaunt, wie Mickey Rourke diese körperbetonte Rolle ausfüllt, dann kommt man nicht umhin festzustellen, dass diese Besetzung der Rolle wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge passt. Frauenschwarm. Sexsymbol. Das war einmal. Ob Mickey Rourke diese Beschreibung seiner Person nochmals hören wird ist fraglich. Zu oft hat er seine Visage als Punchingball benutzt. 1982 fiel der damals 26-jährige Schauspieler erstmals in Barry Levinsons Film ‚Diner' auf als er einen jungen Mann verkörperte, der bevorzugt zusammen mit seinen Kumpels im Lieblingsrestaurant abhängt und sich irgendwie durchs Leben mogelt.

Es folgten Filme wie ‚Rumble Fish' und ‚Year of the Dragon', doch das skandalträchtige Erotikdrama ‚9 ½ Wochen' katapultierte ihn ganz nach oben. In Alan Parkers Thriller ‚Angel Heart' ließ er sich dann auf ein Kräftemessen mit Robert DeNiro ein. Kritiker sahen in ihm schon einen neuen Marlon Brando. Erfolg, Ruhm und Reichtum begleiteten ihn all die Jahre. Bei seiner Rollenauswahl bewies er zunehmend kein glückliches Händchen mehr, lehnte er doch Angebote für ‚Rain Man', ‚Platoon', ‚The Untouchables' und ‚Schweigen der Lämmer' ab. So verschwand er weitgehend aus dem Mainstreamkino.

Mit Filmen wie ‚Wilde Orchidee' (1989), ‚Desperate Hours' (1990) und ‚Harley Davidson and the Marlboro Man' (1991), allesamt von der Kritik verrissen, begann der berufliche Abstieg des Mickey Rourke und die hoffnungsvollen Karriere ging den Bach runter. Private Probleme und eine fehlende professionelle Einstellung zum Job taten ihr übriges den Absturz zu beschleunigen. Von der Ehefrau verlassen spendeten ihm nur seine geliebten Hunde Trost. Anfang der 90er Jahre glaubte Rourke in einem Anfall von Selbstüberschätzung, dass er ein guter Boxer wäre und konzentrierte sich mehr darauf mit anderen im und außerhalb des Rings zu prügeln als sein schauspielerisches Können weiter zu formen. Aus gesundheitlichen Gründen musste er sich jedoch 1995 aus dem Boxsport zurückziehen.

Als Darsteller hangelte sich Rourke in diversen Low-Budget-Filmen von Gastrolle zu Gastrolle, ab und zu kam er noch in einem größeren Hollywoodstreifen unter ("The Rainmaker", "Get Carter"). Die forcierte Wiederbelebung als Sex-Symbol mit dem Drama ‚9 ½ Wochen in Paris' (1997) misslang gründlich. Dass Rourke langsam wieder Fuß fasste im Schauspielgeschäft liegt vor allem an seinem neuen Management und sicher auch an Regisseur Robert Rodriguez, der ihn in zwei seiner Filme besetzte - ‚Irgendwann in Mexiko' (2003) und ‚Sin City' (2005). Letzterer Streifen war die erste kleine Stufe zum Comeback. Der Weg zurück ins Rampenlicht ist allerdings steinig und 15 Jahre angesammelter Vertrauensverlust der Studiobosse in den Namen Rourke sind nicht so einfach vergessen zu machen.

Selbst ein Fürsprecher wie Regisseur Darren Aronofsky (Pi, Requiem for a Dream) konnte nicht helfen Geld bei amerikanischen Studios locker zu machen, so dass das Projekt ‚The Wrestler' nur deswegen nicht scheiterte, weil sich das französische Produktionsstudio ‚Wild Bunch' bereit erklärte ein schmales Budget zur Verfügung zu stellen. Ursprünglich wollte ja Nicolas Cage die Hauptrolle spielen, doch da Aronofsky darauf beharrte nur mit Mickey Rourke zu drehen wollte Cage seinem Kumpel die Chance nicht nehmen. Insgesamt kostete der Film dann 6 Millionen USD (Im Vergleich dazu: ‚Pi' wurde für 20,000 USD realisiert, ‚The Fountain' kostete knapp 30 Millionen USD).

Unter Musikern hat der mittlerweile 52-jährige Rourke aber immer noch Fans. So schrieb Bruce Springsteen einen Song für lau und Axl Rose sorgte dafür, dass der Song ‚Sweet child o' mine' im Film verwendet werden konnte. Guns n' Roses- Gitarrist Slash arbeitete zudem mit Clint Mansell am Soundtrack mit. Die Idee einen Film im Wrestlingmilieu zu drehen hatte Aronofsky schon zu Filmschulzeiten in den 90ern. 2002 beschäftigte er sich wieder mit dem Thema, als der erste Anlauf sein Wunschprojekt ‚The Fountain' zu drehen scheiterte. In mühevoller langwieriger Zusammenarbeit mit Drehbuchschreiber Rob Siegel und später dann dem Input von Mickey Rourke entstand schließlich ein verfilmbares Script.

Hinter dem beliebten Showsport Wrestling steckt in Amerika eine große Organisation, die World Wrestling Entertainment oder kurz WWE genannt (früher World Wrestling Federation WWF), die für die Vermarktung der Liga sorgt. Weil Aronofsky sich nicht künstlerisch einschränken wollte siedelte er seine Geschichte im Underground-Wrestling an, einer Niche, wo ausrangierte WWE-Stars heute ihr Brot verdienen. Glanz, Glamour und Stargetöse, wie die WWE es propagiert, gibt es hier nicht. Damit fasste Aronofsky die wichtigste Entscheidung schon in der Planungsphase, denn dadurch konnte er seinem ramponierten Protagonisten Randy mit liebevoller Schonungslosigkeit auf den muskelbepackten, sonnenstudiogebräunten Leib rücken.

Heraus kommt ein ehrliches Porträt eines Mannes, dessen beste Zeiten - in den 80ern - längst vorbei sind, der in einem schäbigen Wohnwagen haust und trotz Zweitjob kaum die Miete zahlen kann. Abgestürzte Stars in Zusammenhang mit der höchsten Wrestling-Liga ? Das darf nicht sein. Für den Film ist der Underdog aber essentiell und man kommt nicht daran vorbei Sympathie für diesen Loser zu empfinden, der sich für seinen Sport immer noch schindet. Er, der keinen Platz gefunden hat in der realen Welt, der sich nur Bestätigung seiner Person in Form des Wrestling-Alter-Egos ‚The Ram' holen kann. Das ist seine Welt, sein Refugium. Hier gibt es unter den Kollegen noch einen aufmunternden Klaps und man zollt ihm Respekt für seine erbrachten Leistungen.

Randy ist aber bemüht soziale Kontakte im wirklichen Leben zu knüpfen, auch wenn es sehr schwerfällig und fast hilflos wirkt. Die Frau, die ihn interessiert ist Stripperin Cassidy, körperbetont gespielt von Marisa Tomei. Im Gegensatz zu Randy steht sie aber mit beiden Beinen fest in der Wirklichkeit, ist alleinerziehende Mutter und der Job ist bloß ein Job um über die Runden zu kommen. Das Herzblut hängt nicht daran und so grenzt sie diese Bereiche strikt voneinander ab. Privaten Kontakt mit Kunden lehnt sie ab. Das macht dann auch diese besondere und ergreifende Tragik des Films aus. Wie sollen diese beiden geschundenen Seelen zueinander finden ?

Aronofsky geht hier nicht den einfachen Weg um die Beziehung der beiden Personen zu charakterisieren. Die Sympathie füreinander ist spürbar, greifbar, mehr noch von Randys Seite aus. Cassidys selbst auferlegter Schutzpanzer ist schwer zu knacken. Marisa Tomei beeindruckt nach ‚Tödliche Entscheidung' erneut mit einer starken Leistung. Schon früh in ihrer Karriere gewann sie einen Oscar als beste Nebendarstellerin für ‚Mein Vetter Winnie'. Das war vor 14 Jahren. Danach wurde es ruhig um sie bis sie sich 2001 mit einer Oscarnominierung für ihre Rolle im Drama ‚In the Bedroom' eindrucksvoll zurückmeldete. Richtig durchgestartet ist sie aber auch danach nicht. Um so erfreulicher, dass die mittlerweile 44-jährige New Yorkerin heute mehr denn je mutig bei der Rollenauswahl vorgeht und auch im Zusammenspiel mit dem omnipräsenten Mickey Rourke glänzen kann.

Ungemein spannend ist es zu beobachten, wie Randy nach seiner Herzattacke versucht die Prioritäten im Leben neu zu sortieren, sich einer Person, die er mag, emotional zu öffnen. Dazu gehört auch der schwierige Prozess, sich die Fehler einzugestehen, die er im Umgang mit seiner Tochter gemacht hat. Evan Rachel Wood (Thirteen) spielt überzeugend die vom Vater enttäuschte junge Frau, die Randy zunächst ablehnt, in seinen Worten und seinem Verhalten aber eine zaghafte Ernsthaftigkeit sieht, die sie dazu bewegt, ihm eine zweite Chance zu geben. Man fiebert mit bei Randys Bemühungen auf ungewohntem Terrain (selbst der Geschenkekauf für die Tochter wird da zum Problem), doch man ahnt, dass ein Wandel nicht ohne Stolpersteine über die Bühne geht. Die Konstellation erinnert dabei an den Bau eines Kartenhauses aus Spielkarten.

Der kleinste Wackler kann das Haus zum Einsturz bringen, jede Enttäuschung, jede Zurückweisung kann das sensible emotionale Konstrukt zerstören. In Erinnerung bleiben insbesondere die traurigen Momente im Film, wenn z.B. die Ex-Wrestlingstars in Turnhallen hinter ihrem Tisch sitzen und darauf warten, dass Fans zu ihnen kommen um ihnen für ein paar Dollar Autogramme und Fotos zu verkaufen. Oder, wenn Randy von Groupies - Frauen, die seine Töchter sein könnten - zum Sex eingeladen wird, die wilde Faszination eines Bad-Boy-Verhaltens aber im mit Teeniepostern behangenen Kinderzimmer einer kalten Nüchternheit weicht. Die aufregenden 80er sind eben längst vorbei. Und die Würde zu bewahren ist ein hartes Stück Arbeit.

Rourke bringt mit seinem Spiel eine längst verschüttet geglaubte Überzeugungskraft ans Tageslicht, die ihm wohl keiner mehr zugetraut hätte. Er spielt nicht nur Randy - er geht völlig auf in der Figur des Randy. Mit dem toughen Aronofsky hat Rourke zudem einen Betreuer in der Ecke, der ihn ständig anspornte, ihn forderte und immer an ihn glaubte. Rourke selbst hat sich für die Rolle 35 Pfund an Muskelmasse zugelegt und einem dreimonatigen intensiven Wrestling-Training unterzogen, damit er auch alle Moves und Showeinlagen selber durchziehen konnte. Dabei musste Aronofsky seinen Star sogar bremsen, weil der immer kompliziertere und gefährlichere Stunts machen wollte.

Der durch die Handkamera vermittelte dokumentarische Stil kombiniert mit Rourkes natürlichem Auftreten verleiht dem Film eine starke Authentizität, die den Betrachter förmlich einsaugt ins Geschehen. Zudem sind viele Statisten im Film keine Schauspieler sondern Laien und die Wrestler im Ring sind das für was sie sich ausgeben. Förderlich für diesen Dokufilmcharakter ist auch, dass Aronofsky Raum lässt für Improvisation. Dass Wrestling ein körperlich anstrengendes Showprogramm ist, bei dem der Sieger schon vorher feststeht, hat man auch als weniger Interessierter irgendwann mitbekommen. Wie ausgetüftelt diese Kampfchoreographie ist und welche Leiden die Wrestler auf sich nehmen um eine spektakuläre Show abzuliefern bringt uns die von Rob Siegel geschriebene Geschichte ungeschminkt näher.

Mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu beobachtet man wie Randy sich mit einer Rasierklinge während des Kampfes selbst verletzt, damit Blut fließt. Es mag vieles gefakt sein, im Underground-Amateur-Wrestling muss man den Fans aber besondere Momente bieten, da mit Glanz und Glamour der WWE-Liga nicht konkurriert werden kann. Zeitweise wirkt das Geschehen wenig künstlerisch sondern mehr wie ein steinzeitlich-brutales Gemetzel insbesondere dann, wenn die Stacheldrahtrolle im ‚Spiel' integriert wird. Die Stärke des Films liegt aber vor allem in seiner Natürlichkeit. So wie im Leben so durchlaufen auch die Figuren in ‚The Wrestler' die bekannten emotionalen Phasen, mal trist, mal heiter-humorvoll, es gibt Niederlagen und Glücksmomente. Das Leben ist halt kein Wunschkonzert. Und das ständige Ringen um Erfüllung im Leben sorgt für Abwechslung. So wie dieser Film.

‚The Wrestler' ist eine faszinierende Charakterstudie um einen Mann, der versucht sich jedes Wochenende ein Stück von seiner Glanzzeit aus den 80er Jahren wieder zurück zu holen. Mickey Rourke brilliert als der im Leben gescheiterte tragische Held, der um Anerkennung auch außerhalb des Wrestlingsports kämpft. Marisa Tomei und Rachel Evan Wood wirken überzeugend als richtungsentscheidende Faktoren für den Lebensverlauf des Alt-Stars. Independent-Kino, das nachwirkt. Und ein großartiges Comeback.

Text © Markus Klingbeil
27.01.2009 VÖ: 29.01.2009

Filmtitel

(Originaltitel)

Land Jahr. Farbe o. s/w. Originalsprache: n/a. Länge: n/a Min. Bildverhältnis: n/a Kinostart: n/a (USA) n/a (D). Budget: n/a Mio. USD Einspiel: n/a Mio. USD (USA) Regie: n/a. Buch: n/a. Screenplay: n/a. Kamera: n/a. Schnitt: n/a. Musik: n/a. Darsteller: n/a.
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