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  CinemaScope - Filme
... unwiderstehlich in ihrer verwirrenden Schönheit

Das 1.Widescreen Festival
in der Schauburg in Karlsruhe

Nicht jeder hatte die Gelegenheit die Geburtsstunde des 35mm-Cinemascope-Formates hautnah vor 55 Jahren mitzuerleben oder überhaupt Filme der 50er und 60er einmal auf einer großen Leinwand zu bestaunen, so wie es damalige Generationen getan haben. Das Schauburg Filmtheater in Karlsruhe unter der Leitung von Herbert Born hat sich seit drei Jahren dem Nostalgie-Kino verschrieben und bereits mit dem seit 2005 jährlich stattfindenden Todd-AO-70mm-Festival einen festen Platz im Terminkalender von Filmenthusiasten sicher. Kinos, die Filme im 70mm-Format spielen und so präsentieren können wie zu damaligen Zeiten findet man heutzutage nicht mehr viele. Die Schauburg nutzt diese Exklusivität schon seit vielen Jahren sporadisch, doch erst mit der Übernahme der Geschäftsführung durch Herrn Born und dessen Begeisterung für die ‚Oldies' fand der Breitwandfilm früherer Jahrzehnte durch das Todd-AO-Festival ein Zuhause in Karlsruhe.

Wer aber nicht bis zur Neuauflage im Herbst warten konnte oder wollte, der durfte schon am 7. und 8. Juni 2008 beim zum ersten Mal stattfindenden Widescreen-Weekend Stars der 50er erleben und die ersten beiden 35mm-Filme sehen (Das Gewand & Wie angelt man sich einen Millionär, 1953), die im von 20th Century Fox entwickelten CinemaScope-Bildformat (ursprünglich 1:2.55, später das heute übliche 1:2.35) gedreht wurden. Die Filmvorführungen natürlich ganz klassisch in farbstrotzendem Technicolor und mit 4-Kanal-Stereo-Magnetton. Bemerkenswert ist das Engagement des Schauburg-Teams vor allem deswegen, weil mit diesen Breitwandfilmen sicher nicht das große Geschäft gemacht werden kann; mit Filmen, die im Nachmittags- oder Nachtprogramm in diversen TV-Kanälen fast unbemerkt versendet werden, mit Stars, deren Namen der heutigen Kinogeneration z.T. nicht einmal bekannt sind. Wer kennt schon Victor Mature oder Jean Simmons ? Das Festival ist also ein Ort für Filmnostalgiker, für Filmtechnikfans, für Leute, die etwas neues für sich entdecken wollen und sich alten Filmen zuwenden und natürlich für diejenigen, die noch Wert auf stilgerechte Filmvorführungen und Filmkultur an sich legen.

Anständige, spielbare Filmkopien aufzuspüren ist nicht nur eine große Herausforderung sondern auch von finanziellen Überlegungen geprägt. Da sollte man nicht meckern, wenn fast alle Filme in der deutschen Synchronfassung liefen. Erfreulich daher, dass der sehr unterhaltsame Ersatzfilm ‚Sweet Charity' - aus dem Jahre 1969 und daher eigentlich das falsche Jahrzehnt für das Festivalprogramm - im O-Ton und als Roadshow-Version (Ouvertüre, Pausen- und Schlussmusik) präsentiert wurde. Die ursprünglich geplante Filmvorführung von ‚Ganz Paris träumt von der Liebe' (1959) konnte wegen technischer Probleme nicht stattfinden. Shirley MacLaines musikalisches und komödiantisches Talent wurde aber auch in ‚Sweet Charity' deutlich. Befürchten, dass man von Materialverschleißspuren und häufigen Tonknacksern geplagte Filmkopien im kleinsten Saal der Schauburg vorgesetzt bekommen würde, musste man nicht. Der größte Saal wurde bespielt und erstaunlich gut waren die Kopien der acht Festivalfilme erhalten, insbesondere die kräftigen Technicolor-Farben haben fast durchgängig überzeugt. Hervorzuheben sei da ‚Der schwarze Prinz' (1955), der sowohl optisch als auch tontechnisch den besten Eindruck machte. Die Kopie beim Bonusscreening vom Kultfilm ‚Blues Brothers' am Freitagabend hingegen war stark ausgebleicht und gelbstichig und auch der Ton kam dumpf rüber, konnte dieses einmalige Filmvergnügen aber kaum stören. Ein bisschen leiden muss man halt immer.

Beim Todd-AO Festival der letzten Jahre gab es schon eine interessante Filmauswahl zu vermerken, z.B. ‚The Wild Bunch', ‚Ben Hur', ‚Spartacus', ‚Cleopatra', ‚Hello Dolly' oder ‚Sound of Music'. Und auch beim erstmaligen Widescreen-Weekend versprach das Programm genug Abwechslung: Drei Trapper geraten in die Auseinandersetzung zwischen Indianern und Soldaten (Draussen wartet der Tod, 1956), Königin Elizabeth I. herrscht, leidet und liebt (Rebell ihrer Majestät, 1955), drei hübsche Damen suchen reiche Männer zur Alterssicherung (Wie angelt man sich einen Millionär, 1953), ein Römer kämpft gegen die besondere Wirkung von Jesus' Gewand (Das Gewand, 1953), Truppen von Edward III verteidigen das besetzte Frankreich (Der schwarze Prinz, 1955), eine Frau sucht nach der Liebe des Lebens (Sweet Charity, 1969), ein Viehbaron versucht seine Nachbarn gewaltsam zu vertreiben (Rauhe Gesellen, 1954), ein Schauspielerehepaar geht beruflich verschiedene Wege (Ein neuer Stern am Himmel, 1954).

Von Western über Ritterfilm bis Historienschinken, von Komödie über Musical zu Drama. Und als Bonus eben jene erwähnten Männer in schwarz - ‚on a mission from god'. So thematisch verschieden die Beiträge doch waren, interessant war zu beobachten, daß die Frauenrolle in den 50er-Jahre Filmen oft als lieb, nett, ja fast devot zu beschreiben ist. Z.B. verführt Victore Mature Anne Bancroft in drei Minuten zum Ehebruch, Joan Collins schmachtet Königinnen-Günstling Richard Todd an und Marilyn Monroe lässt sich leicht vom ehrbaren Charakter eines Steuerflüchtlings überzeugen. Kernige Männer dominieren, die wissen was sie wollen. Die wenigen Ausnahmen sollten aber nicht unerwähnt bleiben: die starke Bette Davis als Elisabeth I (Rebell ihrer Majestät, 1955) und Barbara Stanwyck als intrigante, skrupellose, manipulative Verführerin (Rauhe Gesellen, 1954).

Filmkunst alleine macht den Magen nicht satt, daher wurden die Gäste auch kulinarisch mit üppigem Frühstücksbuffet und Pausensnacks verwöhnt. Auszeiten, die auch mit lebhaften Diskussionen über Filme, Filmtechnik und andere fußballfreie Themen gefüllt wurden. Ein Highlight war zur Einstimmung auf den letzten Festivaltag das CinemaScope-Potpourri mit Trailern und Dokumentarfilmen. In diesem knapp 90-minütigen Zusammenschnitt konnte man amüsiert beobachten, wie offensiv 20th Century Fox (und etwas moderater Konkurrent Warner Bros.) die Errungenschaft des CinemaScope-Formates in ihren Filmtrailern anpries und Werbetexter zur Hochform aufliefen. Da wurde dann z.B. Lana Turner in ‚Der Seefuchs' (1955) als "unwiderstehlich in ihrer verwirrenden Schönheit" beschrieben oder das Yul-Brunner-Epos ‚Der König und ich' (1956) dem Zuschauer mit den Worten ‚Ein Film, der begeistert!" offeriert. Als Kontrastprogramm dazu gab's die Dokumentation über das Leben auf der USS Yorktown, einem 266m langem und 45m breitem Flugzeugträger, der im Zweiten Weltkrieg im Einsatz war und 1952 reaktiviert wurde sowie einen Reisefilm der deutschen Bahn aus dem Jahr 1984, vergleichbar mit den Beiträgen aus dem ARD-Nachtprogramm - nur eben in CinemaScope.

Bei all der in riesigen unpersönlichen Multiplex-Kinos gezeigten Filmmassenware und nicht immer qualitätsorientierten Filmvorführungen ist der Besuch beim Widescreen-Festival doch ein willkommener Schritt in die Vergangenheit des Filmemachens, in Jahrzehnte wo die Filmproduzenten engagiert versuchten das Publikum mit damals spektakulären technischen Fortschritten in die Kinos zu locken um der in den 50ern aufkommenden Popularität des Fernsehens etwas entgegensetzen zu können. Und wenn man die Chance hat Ikonen und prägende Stars wie Marilyn Monroe, Errol Flynn oder Bette Davis auf einer 16,5m x 7 m großen gekrümmten Leinwand zu erleben, dann akzeptiert man auch altersbedingte Qualitätseinbussen der Filmkopien, gelegentliche Bildunschärfen und Tonaussetzer. Und gab es auch keine großen Pannen, so wurde man höchstens beim Abschlussfilm ‚Ein neuer Stern am Himmel' (1954) noch einmal gedanklich herausgefordert, weil der 2. Akt vertauscht wurde und die Chronologie des Films durcheinanderwirbelte. Auch wenn sich pro Vorstellung nur an die 30-60 interessierte Zuschauer auf die Reise in die Vergangenheit begaben, das nächste Widescreen-Festival kommt bestimmt - am 6./7. Juni 2009. Vorher gibt's aber wieder das Todd-AO 70mm-Festival, zum fünften Mal, vom 2.-4. Oktober 2008, und da steht schon ein Filmklassiker mit restaurierter Kopie in den Startlöchern: ‚Lawrence von Arabien' (1962).

Links:
- Das Filmprogramm 2008
- Schauburg Filmtheater
- in70mm.com
- Filmformate (by DVDlog.de)

Markus Klingbeil. 16.06.2008.
 
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