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2008
Bilder © Arsenal Filmverleih
** Tage oder Stunden
jean becker


Der erfolgreiche Werbefachmann Antoine krempelt von heute auf morgen sein Leben radikal um. Er verkauft seine Firma, stößt Familie und Freunde vor den Kopf und lässt sein Umfeld ratlos zurück als er sich alleine Richtung Irland aufmacht.

Zuletzt war der 1933 geborene französische Regisseur Jean Becker mit der heiteren Komödie "Dialog mit meinem Gärtner" in den Kinos präsent. Mit seinem Nachfolgeprojekt schlägt er eine ganz andere Richtung ein und erzählt sehr melodramatisch von einem äußerlich zufriedenen Mann in dem es innerlich aber ganz gehörig brodelt. Albert Dupontel übernimmt diesen Part, einer der gefragtesten Darsteller Frankreichs (u. a, spielte er in "So ist Paris" und "Intimate Enemies"). Dass sein Spiel hier nicht ganz so beeindruckt wie bei vielen seiner anderen Filme, liegt daran wie sein Regisseur die Geschichte präsentiert.

Aus scheinbarer Bitterkeit dem Leben und Lebensumständen gegenüber greift Antoine in einem Rundumschlag bei seinem Geburtstagsessen jeden der Anwesenden persönlich an. Doch wer zunächst an den Ausbruch der Midlife-Crisis denkt und sich auf weitere Spitzen gegen festgefahrene Rituale, Snobs und Spießbürgertum freut und Heucheleien entlarvt sehen möchte, der wird in jenem Moment davon kuriert, als Antoine während einer körperlichen Auseinandersetzung zusammenbricht. Dieser Hinweis auf die Ursache für den plötzlichen Stimmungswandel lässt jede Spekulation im Keim ersticken und damit verliert "Tage oder Stunden" seinen Reiz. Ein liebender Vater und Ehemann schmeißt nicht alles spontan und unüberlegt hin um mit einer anderen Frau durchzubrennen. Nicht so ein Typ wie Antoine.

Man wünscht sich, dass Jean Becker noch ein paar Überraschungen aus dem Ärmel zieht, stattdessen beobachten wir einen Mann, der auf sein Leben zurückblickt und allzu gewollt schroff agiert, weil Abschiede schmerzlich sind. Egoisten trauert man nicht nach und selbst die eigene Ehefrau, gespielt von Marie-Josée Croze (Schmetterling und Taucherglocke, Kein Sterbenswort) lässt sich von der Gefühlskälte ihres Mannes täuschen. Die Geschichte an sich ist nicht uninteressant und basiert auf dem Roman "Deux jours à tuer" von Francois d'Epenoux, doch leider lässt Becker die Figur Antoine das "Schwein"-Sein nicht völlig ausleben - gerade dabei ist Dupontel ungemein präsent und überzeugend im Film. Der emotional hilflose Softie ergreift dann aber wieder Besitz von Antoines Körper und sucht die Flucht vor den vertrauten Menschen.

Es verschwinden die pointierten, scharfen Dialoge und man wird Zeuge einer penetrant-rührseligen, verklärten Familiengeschichtsaufarbeitung, die unseren Mittvierziger zum entfremdeten Vater führt, der schon vor Jahrzehnten das Weite suchte und in Irland seine Zuflucht fand.

Der flotte, bissige Einstieg in die Geschichte verflüchtigt sich sehr schnell, da Becker zu vorhersehbar und konventionell inszeniert und den geschulten Filmseher nicht täuschen kann. Resultat ist ein langatmiges Melodram mit hohem Rührseligkeitsfaktor.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 06.05.2009

Tage oder Stunden

(Deux jours à tuer)

Frankreich 2008. Farbe. Originalsprache: Französisch. Länge: 85 Min. Bildverhältnis: 1:2.35 Kinostart: 30.04.2008 (F) 30.04.2009 (D). Budget: - Einspiel: - Regie: Jean Becker. Buch: Eric Assous, Jérôme Beaujour, Jean Becker Screenplay: François d'Épenoux. Kamera: Arthur Cloquet. Schnitt: Jacques Witta. Musik: Alain Goraguer, Patrick Goraguer. Darsteller: Albert Dupontel, Marie-Josée Croze, Pierre Vaneck, Alessandra Martines, Cristiana Réali, Mathias Mlekuz.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih