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2005
Bilder © Momentum
** The Other Half
richard nockles


Der Londoner Mark (Danny Dyer) liebt Fußball. Aber er liebt auch seine frisch angetraute Ehefrau Holly (Gillian Kearney), eine Amerikanerin, die keine Ahnung von des Briten liebsten Sport hat. Da Mark aber jeweils ein Ticket für die drei Gruppenspiele seiner Mannschaft bei der Europameisterschaft in Portugal hat verlegt er die vom wohlhabenden Schwiegervater bezahlten Flitterwochen einfach in dieses Land. Holly darf den wahren Grund natürlich nicht wissen.

England ist ein fußballverrücktes Volk und alle zwei Jahre erreicht die Leidenschaft für das runde Leder seinen Höhepunkt wenn sich die Nationalteams europa - oder weltweit für vier Wochen im Juni aneinander messen. Regiedebütant Richard Nockles treibt das Ganze noch auf die Spitze und fragt nach ob eine zarte Beziehung durch eine Sportleidenschaft auseinandergerissen werden kann. Zumal unser Protagonist lügt was das Zeug hält um einerseits seine Liebste nicht zu verärgern aber sich auch seinen innigsten Wunsch zu erfüllen: England mit Rooney anno 2004 im Stadion siegen sehen.

Diese Geschichte klingt gar nicht mal so weit hergeholt und weckt Erwartungen auf einen kreativen Knäuel aus Entschuldigungen, Täuschungen und sonstigen Manövern, die unsere (allzu) arglose Amerikanerin einlullen sollen. Die Ideen sind auch in der ersten Hälfte des Films zahlreich vorhanden, denn nicht nur das Flitterwochenpärchen bestimmt den Verlauf der Geschichte. Ein imaginärer Coach (Gastauftritt vom Ex-Fußballer-längst-Schauspieler Vinnie Jones), ein ungleiches Sportkommentatorenpärchen sowie originelle Anspielungen auf Lösungsansätze zum Eheverständnis bereichern die Handlung. Auch optisch versucht man Abwechslung, auch gerne etwas überdreht, hineinzubringen. Dann allerdings geht dem Kreativteam die Puste aus.

In der zweiten Hälfte schleppt sich die Geschichte nämlich zäh, unoriginell und leicht durchschaubar dahin. Das wir das Ende im Geiste schon längst geschrieben haben bevor es uns als Postkartenmotiv geliefert wird ist ja nicht so schlimm. Der Weg dorthin verdirbt aber die Laune und auch einem Danny Dyer, der zuvor im Ensemble mit anderen guten Mitspielern schon begeistert hat (The Football Factory, Human Traffic) stößt hier an seine Grenzen als Alleinunterhalter. Vor allem wird er aber von Regisseur Nockels und Co-Regisseur Facett, beide auch für das Drehbuch verantwortlich, schmählich im Stich gelassen. Bedenklich stimmt es dann auch, wenn die Entstehungsgeschichte des Films letztlich interessanter ist als das eigentliche Produkt.

"The Other Half" ist ein Low-Budget-Film, der ohne eine einzige Drehgenehmigung mit kleiner Crew (an die 20 Leute) unter Entbehrungen vorwiegend in Portugal zur Zeit der Europameisterschaft 2004 gedreht wurde. Quasi halbdokumentarisch bebildert (z.B. die englischen Fans in Feierlaune) wirkt die Geschichte dann auch ungekünstelt zeigt aber gleichzeitig deutlich die inszenatorischen Grenzen der Filmemacher auf. Innenraumszenen von den Stadien oder Spielszenen gibt's nicht zu sehen (bei der UEFA gibt's eben nix umsonst) und auch die Gruppenbilder von Fan Mark inmitten der englischen Fans, die den Stadionbesuch vorspiegeln sollen, überzeugen nicht wirklich. So wie viele Dinge in der zweiten Halbzeit dieser zunehmend langweiligen Komödie.

80 Stunden in 6 Wochen gefilmtes Material hatten Nockles & Co. zu begutachten, zu filtern und zu einem unterhaltsamen 90-minüter zusammenzuschneiden. Gelungen ist es ihnen leider nicht. Fünf Jahre sind seitdem vergangen. Ein zweiter Spielfilm ist nicht in Sicht.

DVD (Momentum, RC 2, PAL, 96 min)

Der Film wird im anamorphen 1.78:1-Format mit englischem Ton in DD2.0 präsentiert. Englische Untertitel für Schwerhörige sind vorhanden. Als Extras gibt es einen launigen Audiokommentar mit Regisseur Richard Nockles und Cutter Chris Muckle, den Filmtrailer, eine entfernte Szene, ein 12-minütiges Interview mit Danny Dyer sowie ein knapp 30-minütiges Making-of. Darin erhält man einen interessanten Einblick über die problembehaftete Produktion mit vielen offenherzigen und sarkastischen Kommentaren der Beteiligten. Die Bildqualität ist nicht immer die Beste wurde doch mit einer handelsüblichen Digitalkamera gedreht.

Aus einer interessanten Ausgangssituation machen zwei Regiedebütanten mit wenig Geld eine dramaturgisch unausgewogene Komödie, die in der zweiten Hälfte stark abflacht. Als Kurzfilm hätte das was werden können, mit der Inszenierung als abendfüllenden Spielfilm war man wohl etwas überfordert.

Text © Markus Klingbeil
29.07.2010

The Other Half

(The Other Half)

UK 2005. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 96 Min. Bildverhältnis: 1.78:1 Kinostart: 30.04.2010 (USA) 20.05.2010 (D). Budget: n/a Einspiel: n/a Regie: Richard Nockles (Co-Regie: Marlowe Fawcett). Story: Richard Nockles, Marlowe Fawcett. Kamera: John Behrens. Schnitt: Chris Muckle. Musik: Jim Hunt, Adrian Meehan, Tam Nightingale. Darsteller: Danny Dyer, Gillian Kearney, Jonathan Broke, Mark Lynch, Vinnie Jones, George Calil, Katie Comer, Tracy Miller, Kristin Lindquist.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih