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2012

Bilder © Alamode Film
*** Molière auf dem Fahrrad
philippe le guay


Ein erfolgreicher TV-Seriendarsteller will einen Weggefährten aus früheren Tagen überreden mit ihm Molières „Der Menschenfeind“ auf die Bühne zu bringen. Der verlangt aber einige Tage gemeinsame Probenzeit bevor er sich entscheidet ob er mitmacht oder nicht.

Sich die Unabhängigkeit zu bewahren (und Geld zu sparen) heißt lieber eine stinkende Klärgrube im Garten zu haben als sein Haus der kleinstädtischen Kanalisation anzuschließen. So jedenfalls sieht das Serge Tanneur (Fabrice Luchini, So ist Paris), ein Schauspieler, der sich vor drei Jahren komplett von Film und Bühne zurückgezogen hat und seitdem auf der Île de Ré, an der französischen Westküste gelegen, als Einsiedler sein Dasein fristet. Sein Haus hat schon bessere Tage gesehen, ein Handy benutzt er nicht, Fernsehen ist ihm egal. Das Angebot seines früheren Kollegen Gauthier Valence (Lambert Wilson, The blind Man) sich wieder einem Theaterpublikum zu stellen reißt ihn nicht vom Hocker, lässt ihn aber auch nicht kalt. Denn irgendwie würde ihn die Rolle des Alceste in „Der Menschenfeind“, einem Stück des Dramatikers Molière (1622-1673), schon reizen. Weil sie anspruchsvoll sei und selbst so manche berühmte Theatermimen vor einer Interpretation zurückschreckten, wie Tanneur uns wissen lässt. Valence hat allerdings für ihn die Nebenrolle des Philinte vorgesehen was Tanneur als Affront sieht. Um das Pojekt jedoch nicht sofort wieder zu begraben einigt man sich auf einen Kompromiss. Die Rollen sollen von jedem - abwechselnd von Vorstellungswoche zu Vorstellungswoche - gespielt werden. Bei den Proben entscheidet der Münzwurf wer welchen Part übernimmt. Spannungen zwischen den beiden lassen sich logischerweise aber nicht vermeiden.

Die Idee den Geist von Molières Werk in die heutige Zeit zu holen und für ein aufgeschlossenes Publikum zu verfilmen entwickelten Regisseur Phillippe Le Guay und Darsteller Fabrice Luchini gemeinsam. Geschuldet ist das der Zusammenarbeit einige Jahre zuvor für den Film „Nur für Personal!“ als Le Guay in der Vorbereitungsphase Molière-Verehrer Luchini auf seinem Wohnsitz auf der Île de Ré besuchen wollte und mit dem Fahrrad und dem Script in der Hand im Sumpfgraben landete. Diese reale Szene sieht man auch in der fiktiven Geschichte in „Molière auf dem Fahrrad“. Und da Luchini damals aus „Der Menschenfeind“ zitierte war der Filmtitel – im Original „Alceste à bicylette“ - schnell gefunden. Im Film tobt man sich dann mit den Textpassagen aus, seziert die Wortbausteine (der Alexandriner weckt Erinnerungen an den Deutschunterricht) und bringt die Eitelkeiten der beiden Hauptfiguren nach Molière-Schema an die Oberfläche. Leider sind diese Probenszenen doch weniger prickelnd als erhofft. Interessanter wird der Film vor allem, wenn es zu Interaktionen mit anderen kommt, weil dadurch die Charaktere mehr von sich offenbaren müssen. Während die Konkurrenzsituation in der sich beide befinden – auch hinsichtlich einer italienischen Frau mit Scheidungsproblemen – standardisiert wirkt ist die Reaktion der beiden Kulturliebhaber auf das unschuldige Rezitieren der Passagen aus „Der Menschenfeind“ von einer jungen Pornodarstellerin einfach nur drollig. „Jetzt ist sie auf dem Weg nach Budapest“ seufzt dann der eine als hätte man eben ein großes Talent für die Kunst verloren.

Auch wenn der durchaus ordentlich unterhaltende Film etwas überraschungsarm und weniger bissig als erwartet daherkommt und sich einige Längen einschleichen gibt es am Darstellerensemble nichts zu mäkeln. Und wer Molière liebt, wie offensichtlich die 1,1 Millionen Zuschauer in Frankreich, wird vielleicht noch etwas mehr aus diesem Werk mitnehmen.

Text © Markus Klingbeil
12.03.2014

Molière auf dem Fahrrad
(Alceste à bicyclette)


Frankreich 2012. Farbe. Originalsprache: Französisch. Länge: 104 Min. Bildverhältnis: 1.85:1 Kinostart: 16.01.2013 (F) 03.04.2014 (D). Budget: n/a Einspiel: n/a Regie: Philippe Le Guay. Screenplay: Philippe Le Guay, Emmanuel Carrère. Idee: Philippe Le Guay, Fabrice Luchini. Kamera: Jean-Claude Larrieu. Schnitt: Monica Coleman. Musik: Jorge Arriagada. Darsteller: Fabrice Luchini, Lambert Wilson, Maya Sansa, Camille Japy, Ged Marlon, Stéphan Wojtowicz, Laurie Bordesoules.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih