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2011
Bilder © Kinski Productions/ Deutsche Grammophon
**** Kinski Talks 2
interviewsammlung


Er ist schon einzigartig dieser Klaus Kinski (1926-1991). Ein Mann, der den Begriff Schauspieler hasste und stets vorgab Filme nur des Geldes wegen zu drehen. Das und einiges mehr erfährt man in den drei ungewöhnlichen Interviews mit Kinski, die zwischen 1982 und 1986 geführt wurden.

Auf Teil 1 folgt oft Teil 2. Fortsetzungen erfolgreicher Filme sind nichts außergewöhnliches. Wir kennen das jedes Jahr vom Hollywoodkino. Dass eine unkommentierte Interviewansammlung auf DVD gepresst aber soviel Zuspruch fand hat selbst den Macher hinter "Kinski Talks 1", Peter Geyer, überrascht. Nun also kommt man in den Genuss von mehr unkommentierten Kinski-O-Tönen, seinen Ansichten, seinen Emotionen. In 135 Filmen hat Kinski gespielt, nicht selten, dass er nur in wenigen Szenen auftauchte und kaum Text hatte. Jeder hat ihn bestimmt in dem einen oder anderen Edgar-Wallace-Krimi gesehen und der Genrefan liebt seine Auftritte in diversen Italostreifen von denen er in einer Lebensphase 9-11 pro Jahr gedreht hat. Nicht aus künstlerischem Anspruch, sondern für Geld wie er immer (und auch in den hier zu besprechenden Interviews) wieder betonte. Ob das Drehbuch nun gut oder schlecht war spielte da keine Rolle.

Kinski war ein Amerikafan da er sich zunehmend in Europa eingeengt fühlte. Anfang der 80er Jahre machte sich daher die 17-jährige Luxemburgerin Désirée Nosbusch auf den Weg nach Kalifornien um das knapp 40 Jahre ältere Enfant Terrible zu interviewen. Seinem Ruf gerecht ließ Kinski die Fernsehcrew mehrere Tage zappeln bevor es zum intimen Interview im Stinson Beach Nationalpark kam. Mal nachdenklich, väterlich, arrogant, besserwisserisch oder charmant präsentiert sich der Mann mit dem strohblonden Haar verfällt aber merklich dem unschuldig-naiven Charme der jungen Journalistin. Die lässt sich auch durch seinen Wechsel von komplizierten Satzkonstruktionen hin zu mit Kraftausdrücken untermaltem Trivialgerede nicht aus der Ruhe bringen. Vor nichts habe er Angst sagt er, das Wort Angst allein sei schon "verdächtig" und die ganze Welt ohnehin "verlogen".

Gerne philosophiert er über die Bedeutung von Worten und kritisiert den laxen Gebrauch selbiger. Wir erfahren, dass er als Kind die Schulzeit gehasst, sich mit einem Lehrer geprügelt hat und mehrmals von der Schule geflogen ist. Auch über die Kritiker zieht er her, bezeichnet sie als "Geisteskranke" und "Ganoven", die selbst etwas "vertuschen" wollen. "Ich habe ihn doch gar nicht gefragt, was er über den Film denkt" merkt Kinski an, gibt aber zu, dass diese Filmdiskussionen im TV "komisch" sind, wenn man nicht zu lange zusieht. 43 Minuten dauert diese interessante Interviewsession, die drei Jahre nach Entstehung und bisher nur ein einziges Mal im Fernsehen lief (am 22.07.1985 in der ARD), was der Filmwahl von Schauspielerin Désirée Nosbusch zugeschrieben wird, die für das biedere Image der Sendeanstalt als nicht angebracht eingestuft wurde. Kinski hat sie jedenfalls gemocht und gerne seinen Kopf in ihren Schoß gelegt während er mit einem Lächeln sagte: "Es ist rührend wie dumm du bist".

Im zweiten Interview befinden wir uns in einer Diskussionsrunde der NDR Talk Show vom 18.10.1985, die Kinski zur Promotion seines neuen Films "Kommando Leopard" nutzen sollte. Die kecke Moderatorin Alida Gundlach darf sich mit dem unberechenbaren Kinski auseinandersetzen. Da wird über seine Autobiographie geredet, über seine Art der Rollenauswahl (wieder ist nur das Geld entscheidend und in welches Land er reisen möchte), dass er ein gewisses Verhalten vom Publikum bei Lesungen bzw. seiner Shows erwartet, er Paganini und Caruso nur zuhause ohne störendes Publikum genießen kann und für ihn ein längerfristiges Engagement auf der Bühne einem "Selbstmord" gleicht, er es daher nicht machen würde. Dass Kinski nicht aus purer Freude hier ist gibt er offen zu, auch dass er Geld für den Auftritt bekommt aber für ihn die Regel gilt, dass Zusagen eingehalten werden müssen (seinen Produzenten Erwin C. Dietrich mag er offensichtlich). Im Zusammenschnitt der Sprachanteile Kinskis kommt man auf knapp eine halbe Stunde, weitaus mehr als normalerweise für die Gespräche mit dem einzelnen Gast veranschlagt sind. Eine Geburtstagstorte zum 59. gab es auch noch. Überbracht von Ex-Olympia-Bobfahrer und Filmkollege Hans Leutenegger.

Interview 3 auf der DVD wurde am 12.09.1986 in Italien, ein Spaziergang auf freiem Gelände, mit einer Videokamera gedreht. Kinskis Bedingung für den Dreh war, dass der amerikanische Dokumentarfilmer Jay Miracle das Gespräch selbst aufnehme sollte, keine Mitarbeiter erlaubt waren, er zudem nicht durch die Kameralinse gucken durfte. So wirkt die bildliche Darstellung amateurhaft, zeigt den Schauspieler aber wohl am unverstelltesten, wenn man denn Kinski bei seinen öffentlichen Auftritten Berechnung unterstellen wollte. So unterstreicht er seine Verachtung denen gegenüber die sich "Schauspieler" und "Regisseur" nennen, den Kult, der um sie herrscht. Mit Vergnügen gibt er eine Anekdote zum Besten in der er sich den Anweisungen eines Regisseurs widersetzte und der ihm daraufhin drohte, dass er, Kinski, keinen Fuß mehr auf irgendein Set setzen würde. Kinski hat den Regisseur überlebt und weiter Filme gedreht.

Sich selbst hält er nicht für arrogant und bestreitet, dass Berühmtheit seine Antriebsfeder war den Beruf des Darstellers zu wählen. "It just happened" und "I'm made for it" bemerkt er lapidar. Er erzählt warum ihn Berlin als Ort anwidert und er dort keine Filme drehen will (harte Kindheit, Tod der Mutter), prangert das Töten in der Welt an, äußert sich leidenschaftlich zum Israel-Konflikt und regt sich über französische Kritiker im TV und deren Wichtigtuerei auf. Da gefällt ihm der Umgang im weltoffenen Amerika mit seinem "Just-Do-It"-Gedanken weitaus besser. Vor allem begeistert er sich für den Tatendrang der jungen Leute. Von Method-Acting hält er nichts und Regisseure muss man sich erziehen. Interviewer Miracle muss kaum Fragen stellen, Kinski redet auch auf englisch ohne Punkt und Komma, während er in den deutschen Interviews oft stocken musste, weil ihm nur die englischen bzw. französischen Ausdrücke bzw. Redewendungen einfielen. 45 nicht immer kurzweilige Minuten füllen diese Themen und Kinskis Aussagen unterstreichen seinen Ruf als streitbaren Geist in allen Lebenslagen.

Für die Schlussviertelstunde bringt Miracle aber das Thema auf Regisseur Werner Herzog mit dem Kinski eine wohlbekannte Hass-Liebe verbindet. Der Dokumentarfilm "Mein liebster Feind" sollte erst 1999 erscheinen aber was Kinski hier erzählt wirkt in der Tat wie eine vorgezogene Reaktion auf den Film. Herzog sei "a pain in the ass", er arbeite unprofessionell, würde Verträge brechen, sei ein Lügner und hätte von ihm, Kinski, einiges gelernt. Die Intensität des Machtspiels am Set ihrer gemeinsamen Filme (und auch danach) erläutert Kinski anhand eines Kung-fu-Tritts den er Herzog angeblich ins Gesicht verpasst hat, Streitereien um das Filmposter von "Woyzeck" (welcher Name steht groß auf dem Plakat) sowie einer Geschichte um ein Winchestergewehr beim Dreh in Peru (Kinski behauptet es war seine Waffe und nicht Herzogs). Es schwingt aber trotz allem immer wieder Respekt vor Herzog durch und Kinski gibt auch freimütig zu, dass es im Endeffekt keine Rolle spielt ob man sich in der Vergangenheit gegenseitig an die Gurgel gesprungen sei, denn "wir machen gute Filme zusammen". Außerdem könne er sich vorstellen wieder mit Herzog zu arbeiten. Das geschah dann auch zum fünften und letzten Mal bei "Cobra Verde" (1987).

DVD (Kinski Productions / Deutsche Grammophon, Codefrei, 139 min)

Die drei Interviews liegen in recht ordentlicher Bild- und Tonqualität vor. Abstriche muss man beim Italieninterview machen, bei dem das Ausgangsmaterial schon nicht TV-Ansprüchen genügte. Im einzelnen:
- Zeit zu Zweit: Désirée Nosbusch trifft Klaus Kinski (4:3 / Länge: 43:09 min), teilweise "eingebrannte" deutsch untertitelt, als ein Ranger nachfragt was Kinski und Nosbusch im Park machen.
- NDR Talk Show, 18.10.1985: Auftritt von Klaus Kinski (4:3 / Länge: 29:27 min)
- Dinocittà, 12.09.1986: Jay Miracle interviewt Klaus Kinski (4:3 / Länge: 60:41 min), Englisch mit optionalen deutschen Untertiteln.
- Bonus: Ottakes von "Zeit zu Zweit" mit Tonausschnitten aus der Doku (4:3 / 5:26 min)
Begleitend zu den Interviews gibt es ein informatives Booklet in dem Peter Geyer Hintergrundinfos gibt, evtl. Verständnisprobleme ausräumt und Teil 3 der Interviewserie in Aussicht stellt falls die vorliegende Edition gut verkauft wird.

Egal was Kinski von sich gibt, wie glaubwürdig seine Geschichten sind oder wie gut er als Darsteller war, diese Interviews zeigen ihn als sehr interessanten, unterhaltsamen auch mal nervenden Typen, der keine Scheu hat anzuecken. Und das findet man in dieser Weise heute nicht mehr. Da mag ein Charlie Sheen noch so pöbeln wie er will.



Text © Markus Klingbeil
VÖ: 23.05.2011

Kinski Talks 2

D 2011. Farbe. Originalsprache: Deutsch, englisch. Länge: 139 Min. Bildverhältnis: 4:3 DVD-Start: 08.04.2011 (D). Budget: n/a Einspiel: n/a Herausgeber: Peter Geyer. Buch: n/a. Screenplay: n/a. Kamera: n/a. Schnitt: n/a. Musik: n/a. Darsteller: Klaus Kinski.

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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih