Sechs Kriminelle planen eine Bank in L.A. zu überfallen. So unterschiedliche
Charaktere die Männer auch sind ihre gemeinsame Motivation speist sich aus einer unzufriedenstellenden Lebenssituation
und einer Verachtung gegenüber Detective MacQuarrie und seinem Polizeiapparat. Die Bank ist daher auch eine besondere -
dort bunkern die Cops ihre Ersparnisse.
Nicht nur Hollywood betreibt Ideenklau in Europa und Asien, auch das indische Kino
bedient sich gerne im Ausland und dreht die Geschichten mit eigenen Stars fürs heimische Publikum noch mal nach. ‚Léon
- Der Profi' wurde unter Guddu Dhanoa 2000 zu ‚Bichoo' (mit Rani Mukherjee und Bobby Deol), ‚Oldboy' wurde 2006 als
‚Zinda' wiederverwertet und auch Tarantinos ‚Reservoir Dogs' hatte das Vergnügen (?) aus indischer Sicht interpretiert
zu werden. Die Handlung von ‚Kaante' orientiert sich nämlich zum großen Teil an Tarantinos Regiedebut von 1991 und
bedient sich außerdem noch eines weiteren Klassikers - Bryan Singers ‚Die üblichen Verdächtigen' (1995).
Da könnte man vor Entsetzen aufschreien aber man darf das anfangs gesetzte Fragezeichen
bezüglich eines vernüglichen Zeitvertreibs getrost streichen. Regisseur Sanjay Gupta, der vier Jahre später auch
‚Zinda' drehte, schafft es insbesondere durch eine gute Besetzung und einigen interessanten Variationen ein
abwechslungsreiches Remake zu kreieren. So ernst nehmen wie die beiden Vorlagen darf man ‚Kaante' freilich nicht, denn
es werden viele Szenen ‚just for show' lustvoll in Zeitlupe zelebriert um die Coolness der mit Gelbfilter
photographierten Ausflüge der Protagonisten zu unterstreichen. Und ganz offensichtlich wird hier versucht etwas dem
Hollywoodgigantismus zu frönen - der Drehort Los Angeles drängt sich dazu regelrecht auf. Zeitweilig wirkt die
Inszenierung dann auch so als hätte Michael Bay bei den Dreharbeiten über Guptas Schulter geschaut. Sowohl Stil und
Optik wirken sauber auf Mainstream getrimmt, entsprechend sind die Actionszenen professionell ausgeführt und werden als
Werbeclip/MTV-Schnipsel-Abfolge präsentiert.
Nicht überraschend sind es die Stars Amitabh Bachchan und Sanjay Dutt, die durch ihr
charismatisches Spiel die Handlung dominieren. Bachchan verkörpert dabei seines Alters gemäß den Kopf der
zusammengewürfelten Bande. Als ‚Major' übernimmt er dabei die Harvey Keitel-Rolle aus ‚Dogs', bekommt aber wie so manch
anderer der sechs Hauptfiguren eine andere Biographie verpasst. Bachchan ist zu Beginn des Films ein reformierter
Ex-Knacki, der die sterbende Ehefrau in der eigenen Wohnung betreut. Da die US-Mediziner ihr nicht helfen können will
Bachchan wieder mit ihr nach Indien zurück. Das Geld für medizinische Versorgung und Rückkehr ins Heimatland soll durch
einen neuen, ehrlichen Job beschafft werden. Den versaut ihm allerdings Det. MacQuarrie, der ihn vor den Augen des
potentiellen Arbeitgebers festnimmt. Auf Verdacht. Denn neben dem Major sind noch fünf andere indische (!) Ganoven
schnell in polizeilichem Gewahrsam sobald sich ein Raubüberfall oder dergleichen in der Stadt ereignet. Die Ironie der
Geschichte entlädt sich dann mit voller Wucht auf Kosten des Cops, denn durch die ungeplante Zusammenkunft des Sextetts
im Knast entsteht erst die Idee, die Bank zu überfallen und mit den Cops ordentlich abzurechnen.
Regisseur Gupta schrieb seinen Figuren die unterschiedlichsten Handicaps und
Gemütszustände auf den Leib. Da wären zum einen die die Handlung mitbestimmende Figur neben Bachchans Major, der Sadist
Ajju, überzeugend gespielt von Sanjay Dutt (Parineeta). Unverkennbar hat Dutt hier die Michael Madson-Rolle
verinnerlicht und spuckt dann auch das Kult-Zitat: ‚Are you going to bark all day or are you going to bite as well ?'
mit herrlich gelassener Überheblichkeit aus. Neben diesen Schwergewichten haben es die restlichen vier der Gang
natürlich schwer beim Zuschauer nachhaltig im Gedächtnis zu verweilen, schlagen sich aber im wahrsten Sinne des Wortes
ganz gut. Bali (Mahesh Manjrekar) ist ein Stotterer und dessen Tragik des Lebens erfährt man erst ganz zum Schluss und
Marc (Sunil Shetty) ist ein aufbrausender Rausschmeißer in einem Stripclub, hat aber Probleme damit, dass seine
Freundin dort tanzt. Die anderen beiden wirken sympathisch und farblos, sind aber wegen ihrer Fähigkeiten (z.B. in
Computersysteme hacken) essentiell für den Coup.
Bei all dem Gangstergetue, den schwarzen Anzügen, den Sonnenbrillen, den schweren
Waffen und den Explosionen fehlt es aber auch nicht am typisch-indischen Filmelement - den Gesang- und Tanzszenen. Die
sind hier aber annehmbar in den Plot integriert, sei es ein Besuch im Stripclub oder einem feuchtfröhlichem Besäufnis
kurz vor dem Coup (da singt Sanjay Dutt dann auch wirklich selber). Bei einer Lauflänge von 2 ½ Stunden (und damit
knapp eine Stunde länger als ‚Dogs') darf man sich auch die eine oder andere Abschweifung gönnen. Trotz Gesang geht's
bei ‚Kaante' aber keineswegs zimperlich zu und neben den handgreiflichen Auseinandersetzungen der Gangster
untereinander sticht insbesondere die Variation der Folterszene eines Polizisten in einer Lagerhalle hervor, die zeigt
dass auch dieses Hindi-Remake nicht für Kids geeignet ist.
DVD (Film Club Ltd. / Kria Inc., NTSC, codefrei)
Entgegen der Aussage auf dem Cover dieser US-DVD ist das Breitbild (1:2.35) nicht
anamorph codiert; die englischen Untertitel verschwinden komplett im unteren schwarzen Balken. Das farbenfrohe Bild
selbst ist gut und frei von Störfaktoren. Der Ton liegt in DD5.1 Hindi vor. Auf Disc 2 gibt es noch eine Reihe von
Promofilmchen, die aber wie eine Abspulung von bereits gesehenem Material wirkt, plus Variationen des Filmtrailers.
Verpackung:Digipack. Auch in Deutschland ist ‚Kaante' auf DVD erschienen.
10 Jahre nach ‚Reservoir Dogs' zeigt das indische Remake ‚Kaante', dass
Tarantinos intelligente Story auch mit indischen Variationen funktioniert. Der Gangsterthriller um einen missglückten
Banküberfall und anschließender Selbstzerfleischung der Gang kommt hier als hochgestylte, schnittige, etwas
aufgeblasene und von starken Darstellern vorangetriebene Action-Variante daher, die auf andere Weise gefällt wie das
subtilere US-Vorbild. Was beide Filme aber uneingeschränkt miteinander verbindet ist die vorzügliche Ausnutzung des
Cinemascope-Formates, der Nutzung des Bildraumes bis in die kleinste Ecke.