Home || Suchen || Aktuell || Kritiken || Festival & Co. || Coole Köpfe || Medien || Downloads || Links || Sitemap
Filmwahl > 0-9 | A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z

 
2009
Bilder © Constantin
*** Horst Schlämmer - Isch kandidiere!
angelo colagrossi


Was die Politiker versprechen und nicht einhalten kann ich auch, denkt sich der stellvertretende Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblattes, Horst Schlämmer (Hape Kerkeling). Und sein Job unterfordert ihn sowieso. Also beschließt er eine Partei zu gründen und Angela Merkel vom Thron zu stoßen.

Am 27.September 2009 ist Bundestagswahl. Fünf Wochen vorher hängen die Bilder der Politiker aller Parteien bereits an Werbeflächen, Laternenpfählen, Bauplatzbegrenzungszäunen und sonstigen Orten wo Menschen vorbeiströmen. Es wird gegrinst als gebe es kein Morgen um einen sympathischen aber doch seriösen Eindruck zu machen. Ein passender Spruch dazu und der Personenwahlkampf hat einen Teilnehmer/Bewerber mehr für eine limitierte Anzahl an Sitzen im Bundestag/Landtag/Kreistag. Ein Gesicht, das die Deutschen lieben, wird aber nicht zur Wahl stehen: Horst Schlämmer, das Alter Ego von Spaßmacher Hape Kerkeling.

Diverse (seriöse) Umfragen ergaben, dass fast jeder Fünfte den kauzigen Schlämmer mit seiner fiktiven Partei HSP (=Horst Schlämmer Partei) gerne im Bundestag sehen würde. Kein Wunder, ist der Horst doch ein grunzender Durchschnittstyp mit nuscheliger Aussprache, etwas ungepflegt, schlechten Zähnen, Bierbauch, einem zu engen Trenchcoat. Und er tritt für den kleinen Mann an um aus dem wenigen was die Menschen haben etwas mehr zu machen. Ein Mann mit Herz und Männerhandtäschchen. Ein klares Konzept hat auch er nicht, aber da unterscheidet er sich ja auch kaum von den real existierenden Parteien, die mit Versprechungen hausieren gehen, nach dem Wahlerfolg aber nichts mehr davon wissen wollen.

Für Hape Kerkeling ist es nicht der erste Kinoausflug. Schon einmal war das ganze Leben nur ein Quiz (Kein Pardon!, 1993). Und damals schon war Kunstfigur Uschi Blum (Hape Kerkeling), die Schlagersängerin, mit dabei. Wer in den 80ern Kerkelings TV-Serie "Känguru" und "Total normal" gesehen hat, der kennt die Verwandlungsfähigkeit des Komikers aus einer Vielzahl an Sketchen. Auch in späteren Sendungen gab es kein Halten vor Schminke und Perücke. Ein Horst Schlämmer alleine reicht hier ebenso nicht - Kerkeling schlüpft in selbst entwickelte Charaktere sowie in die Haut von Politprominenz (die, die nicht vor die Kamera wollten, sollten oder durften).

So wird z.B. Angela Merkel, Roland Pofalla (Generalsekretär der CDU) und Ulla Schmidt (Bundesministerin für Gesundheit, SPD) der Spiegel vorgehalten. Ein Blabla an Worthülsen und ichbezogener Werbung, die von Kerkeling auf die Spitze getrieben wird. Fies wie ein Sacha Baron Cohen (Borat, Brüno, Ali G) oder intellektuell wie ein Bill Maher (Religiulous) geht Kerkeling bei seiner Entlarvungstour allerdings nicht vor. So sind die Interviews, die Schlämmer vorwiegend mit Landespolitikern von NRW führt, inhaltlich natürlich nicht zu gebrauchen, weil sie ja lustig sein sollen. Das gelingt recht ordentlich, auch wenn die meisten Politiker Hapes Kunstfigur bereits aus dem Fernsehen kennen werden - so wirkt es jedenfalls - es ist ja nicht das erste Mal das Schlämmer mit seiner eigenwilligen Art verblüfft.

So spielt man das Spiel mit und versucht durch schlagfertige Antworten diesen Kinofilm als Werbeplattform zu nutzen. Besonders gut sieht man das beim Meeting mit Politprofis wie NRW-Ministerpräsident Rüttgers und Grünen-Chef Cem Özdemir (aka der Schwaben-Elvis). Auch Skandal-Rapper Bushido wird geschickt mit in die Handlung integriert um Schlämmer zu helfen, die Jugend für sich zu begeistern. Das wird nicht schwer gewesen sein, denn die Produktionsfirma Constantin, die Hapes Werk in die Kinos bringt, produziert auch Bushidos verfilmte Biografie. Die Kombination eines Schlämmers mit dem "bösen Buben" hat aber schon einen komischen Effekt, insbesondere, wenn sie gemeinsam den Wahlkampfsong der Horst-Schlämmer-Partei einrappen und das passende Gangsta-Video dazu drehen.

An deutscher Prominenz findet man keinen Mangel bei diesem Politulk auch wenn sie aus der Dschungelcamp-Ecke oder vom ZDF (Co-Produzent) kommen. Am besten funktionieren aber immer noch die Szenen vom Wahlkampf auf der Straße, wenn vor allem ältere Passanten kein Idee haben, wer Schlämmer wirklich ist und den Möchtegern-Bundeskanzler auch ernst nehmen. Die Mehrheit der Gag-Episoden wirkt dann aber doch inszeniert, was aber dank den Unterhaltungsfähigkeiten eines Hape Kerkelings noch gut funktioniert. Nett sind Hapes Überraschungsauftritte in Dauerwerbesendungen und Call-In-Shows, unnötig der "Spielfilm"-Plot mit einer Alexandra Kamps, die sich selbst spielt, beim Wort "Macht" Wallungen bekommt und darauf fixiert ist als First Lady neben Schlämmer ins Weiße Haus, nein "die Waschmaschine", oder schlicht das Bundeskanzleramt zu ziehen.

Ein eigenwillig interpretierter Obama-Spruch ("Yes Weekend") kann da nur förderlich sein, insbesondere wenn Bully Herbig und Senta Berger als Fürsprecher ihre Nasen in die Kamera halten. Und wenn in der Wahlkampfarena Uschi Blum ihre Schlagersangeskunst für ihren Freund Horst einsetzt, dann schmelzen auch die letzten Vorbehalte. Ein erfolgreiches Talkduell mit dem Angela Merkel-Klon bringt zudem weitere Punkte. Als Assistent des Politaspiranten (Lieblingsatz:"Die Welt braucht mich!") ist im übrigen noch Pro7-Sketchartist Simon Gosejohann zu sehen, der allerdings weniger Witz versprüht als in seinen Comedysendungen. Die Schlämmer-Show ist eben Hape-Show.

Rechtzeitig als Wahleinstimmung kommt dieser harmlose, selbst den Journalisten nicht vorher zugänglich gemachte Spaß mit Hape in die Kinos, bei dem sich gelungene und fade Gags die Waage halten. Die populäre Figur Horst Schlämmer ist eben doch zu nett- fürs Politgeschäft und überhaupt. Zum Nachbarn möchte man ihn aber trotzdem nicht unbedingt haben.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 26.08.2009

Horst Schlämmer - Isch kandidiere!

D 2009. Farbe. Originalsprache: Deutsch. Länge: 90 Min. Bildverhältnis: 1:1.85 Kinostart: 20.08.2009 (D). Budget: - Einspiel: - Regie: Angelo Colagrossi. Buch: Angelo Colagrossi, Hape Kerkeling, Ludwig Berndl, Jens Teutsch-Majowski. Kamera: Frank Grunert. Schnitt: Barbara Gies Musik: Achim Hagemann, Bettina Hagemann. Darsteller: Hape Kerkeling, Simeon Gosejohann, Alexandra Kamp, Cem Özdemir, Jürgen Rüttgers.

Suchen || FAQ || Impressum || Sitemap
© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih