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1998
Bilder © Eros Entertainment
**** Ghulam
vikram bhatt


Siddarth (Aamir Khan) hat nichts anderes im Kopf als zu klauen und zu boxen. Für Ronnie, den Boss seines Bruders Jai, übernimmt er schlagkräftige Botengänge. Als er sich jedoch in Alisha (Rani Mukherjee) verliebt und später einen Sozialarbeiter trifft, der gegen die Schikanierung des Viertels durch Ronnie vorgeht, muss sich Siddarth entscheiden auf welcher Seite er steht.

Für Rani Mukherjee war "Ghulam" erst der zweite Film in ihrer Karriere und die großen Hauptrollen sollten noch zahlreich folgen. Aamir Khan hingegen startete bereits 1988 mit "Qayamat Se Qayamat Tak" durch und zählt bis heute zu den gefragtesten indischen Filmstars. Zuletzt sah man ihn in der äußerst körperbetonten Rolle eines rachedurstigen Mannes ohne Gedächtnis in "Ghajini". Auch in "Ghulam" teilte er schon ordentlich Schläge aus, musste allerdings auch kräftig einstecken.

Khan spielt den sorglosen Kleinkriminellen Siddarth, der mit seinen Kumpels vor allem Leute bestielt und für den Ex-Boxer Ronnie (Sharat Saxena, Krrish) kleine Jobs erledigt. Über seine Handlungen denkt er nicht nach, sein Unrechtsbewusstsein ist nicht stark ausgeprägt, auch wenn seine Anwältin, die ihn immer wieder vor dem Knast bewahren muss, die Hoffnung nicht aufgegeben hat, dass Siddarth ein lernfähiger, ehrlicher junger Mann ist. Regisseur Vikram Bhatty, Spezialist für (unauthorisierte) Bollywood-Remakes von Hollywoodfilmen (für "Ghulam" bedient er sich bei Elia Kazans "Die Faust im Nacken", 1954), zeigt uns aber zunächst die andere, draufgängerische Seite ihres Schützlings.

Schnell erinnert man sich durch die Art und Weise wie die ersten Szenen ablaufen, an die wilden Kerle aus Hollywood, die Draufgänger und Rebellen vom Schlage eines James Dean und Marlon Brando. Und wenn die Rockergang Siddarth mit einer gefährlichen Mutprobe herausfordert, dann weht eine Brise des 70er/80er Jahre - Feelings über die Leinwand. Rebellen der Gesellschaft unter sich! Khan spielt seine Rolle äußerst überzeugend ohne in übertriebene Mimik oder Gestik zu verfallen. Die Sympathien des Publikums hat dieser Schelm zunächst sicher.

Die persönliche Entwicklung der Hauptfigur geschieht dabei auf nachvollziehbare Art und Weise, denn Siddarths zögerliche Haltung, den richtigen Weg einzuschlagen, liegt auch im familiären Umfeld begründet. Sein älterer Bruder Jai (Rajit Kapoor), der intelligentere der beiden, einer der um seine Vorbildfunktion wissen müsste, ist dem Lockruf des schnellen Geldes gefolgt und hilft dabei Ronnies schmutzige Geschäfte zu verschleiern. Mit Erpressung, Einschüchterung und Wettbetrug hat der sich vom einst gefürchtete Boxer zum dubiosen Geschäftsmann gewandelte Schrecken des Viertels ein Vermögen zusammengerafft.

Jai spielt eine Schlüsselrolle um das Geld über ein legales Bauvorhaben reinzuwaschen. Und damit bei den Behörden alles glatt geht und die Justiz keine Nachweise und Zeugen von Ronnies illegalen Machenschaften hervorzaubert wird der kleine Bruder von Jai, Siddarth, eingespannt um die Nachbarschaft um ihren für Gerechtigkeit kämpfenden Sozialarbeiter klein zu halten. Wie skrupellos Ronnies Bande aber vorgeht wird Siddarth erst klar, als ein Todesopfer zu beklagen ist. Und Bruder Jai steckt tief mit drinnen im Schlamassel.

Mit fortlaufender Spielzeit betont Bhatt das Drama, das zwischen den beiden Brüdern schwelt und steigert die Spannung zudem durch clever gesetzte Rückblenden in ihre gemeinsame Kindheit, die ein verklärtes Vaterbild in Frage stellen. Rajit Kappors Figur erhält damit zunehmend an Bedeutung und er liefert als Jai eine beeindruckende Leistung, insbesondere in den Szenen, die er mit Aamir Khan austrägt.

Beide Darsteller finden das richtige Maß um die Emotionen zu vermitteln ohne ins übertriebene, unglaubwürdige abzudriften. Man hätte gut und gerne ganz auf diese bollywoodtypischen Übertreibungen (auch musikalisch gibt es unheilverheissende Donnerschläge) verzichten können aber Sharat Saxena, der Bösewicht vom Dienst, chargiert auch hier als wütender Dobermann, der wild um sich beisst und am liebsten mit der Knarre alle abknallen würde, die ihm widersprechen.

Dabei wäre diese überschäumende Darbietung nicht erforderlich, denn allein schon von seiner Physiognomie und dem düsteren Blick ist Saxena als klassischer Bad Guy schon ausgemacht, bevor er überhaupt das erste Mal den Mund öffnet. Durch die zunehmenden unsinnigen Grobheiten Ronnies einerseits und dem langsam zur Besinnung auf Gerechtigkeit kommenden Siddarth andererseits erzielt Regisseur Bhatty aber die gewünschte aufgeheizte Atmosphäre, die sich entlädt, wenn der Underdog den Meister zum Schlagabtausch herausfordert. Von diesen charakterbildenden, starken Momenten hat der Film noch den einen oder anderen zu bieten.

Kein Held darf im Film (im Idealfall) ohne Frau bleiben. So fällt Newcomerin Rani Mukherjee (Hum Tum) die Rolle zu, den an seinen Aufgaben wachsenden Hallodri mit sanften Blicken kurzfristig von allen Problemen loszulösen. Dabei gewinnt Siddarth das Herz von Alisha ganz klassisch bei der nervenzerfetzenden Mutprobe und die Liebe auf den ersten Blick nimmt ihren Lauf, akustisch und visuell manifestiert in verschiedenen locker-leichten Song & Dance Sequenzen, gerne auch mal im Regenschauer.

Die Charakterisierung von Alisha - aus wohlhabenden Hause, Vater allerdings ein unaustehlicher Trunkenbold - ist dabei äußerst oberflächlich geraten und die frische Beziehung der Liebenden damit vorwiegend zur Auflockerung in das Drama eingeflochten. Das funktioniert auch. Wer die Stimme von Rani Mukherjee kennt darf sich übrigens wundern. Für diesen Film wurde sie synchronisiert.

DVD (Eros International, NTSC, Codefrei, 162 min)

Guter Film, schlechte DVD. Leider gibt's die nicht anamorphe UK-Filmveröffentlichung von Eros International nur in falschem Bildformat. Vor- und Abspann sind in (1:2.30), das wechselt dann in ein inakzeptables (1:1.78)-Format. Und man sieht es auch in mehreren Szenen wie die sorgfältige Bildkomposition des Kameramannes kastriert wird. Da werden dann Gesichter an linkem und rechtem Bildrand "angeschnitten" und die Bildmitte fokussiert. Dem Bildmaterial merkt man zudem Alters- und Verschleißerscheinungen an.

Die nicht immer fehlerfreien englische Untertitel hängen in den unteren Balkenbereich hinein, d.h. man ist gezwungen den Film im 4:3-Format auf einem 16:9-Fernseher zu gucken, falls man Untertitel braucht. Der Ton liegt in DD5.1 Hindi vor und die Surround-Speaker werden häufig angesprochen. Ärgerlich: Das Logo von Eros wird auch als Wasserzeichen immer wieder für einige Sekunden eingeblendet. Die Werbetrailer vor dem eigentlichen Film kann man nicht (!) vorspulen. Lauflänge des Films ist 162 Minuten (Cover gibt 155 Minuten an). Als einzige Extras gibt es verschiedene Trailer.

Aamir Khan liefert als sorgloser Kleinkrimineller eine starke schauspielerische Leistung ab in einem Drama um zwei Brüder, deren Verhältnis durch einen unverzeihlichen Vorfall einer starken Belastung ausgesetzt wird. Rani Mukherjee in ihrer erst zweiten Rolle überhaupt muss sich als "die Freundin" mehr oder weniger auf die Tanz- und Gesangsnummern konzentrieren. "Ghulam" ist bestes Hindi-Drama und bietet spannende, sehenswerte Unterhaltung. Gäbe es doch bloß eine bessere DVD ...

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 21.07.2009

Ghulam

Indien 1998. Farbe. Originalsprache: Hindi. Länge: 162 Min. Bildverhältnis: 1:2.35 (DVD in 1:1.78) Kinostart: 19.06.1998 (Indien). Budget: - Einspiel: - Regie: Vikram Bhatt. Buch: Anjum Rajabali. Kamera: Dharma Teja. Schnitt: Waman B. Bhosle. Musik: Amar Haldipur, Jatin Pandit, Lalit Pandit. Darsteller: Aamir Khan, Rani Mukherjee, Rajit Kapoor, Mita Vasisht, Deepak Tijori, Akshay Anand, Sharat Saxena.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih