Michelle McNally (Rani Mukerjee) wird während ihrer Babyjahre taubblind. Für die Eltern ist es schwer damit umzugehen, doch erst einige Jahre später entschließt man sich einen Lehrer zu engagieren, der ihr beibringen soll mit ihrer Umwelt besser klarzukommen. Mit Debraj Sahai (Amitabh Bachchan) erscheint ein Mann auf der Bildfläche, dessen unkonventionelle, sehr drastisch erscheinende Methoden ihn praktisch gleich wieder den Job kosten. Da Michelles Vater allerdings für einige Zeit verreist lässt sich die Mutter überreden Debraj 20 Tage Zeit zu geben um mit Michelle zu arbeiten.
Nach dem opulenten hochbudgetierten Historiendrama "Devdas" setzt der als Perfektionist bekannte Regisseur Sanjay Bhansali mit "Black" diesmal auf leisere Töne. Die Handlung des Films über eine taubblinde Frau orientiert sich dabei an einer real existierenden Person, der amerikanischen Schriftstellerin Helen Keller, die von 1880 bis 1968 lebte. Es ist nicht das erste Mal, dass deren Lebensgeschichte verfilmt wurde. 1962 widmete sich Arthur Penn in seinem Film "Licht im Dunkel" der Beziehung zwischen Helen Keller und ihrer Lehrerin Anne Sullivan, die mit Hilfe eines Fingeralphabets für Gehörlose Kommunikationsbarrieren zum Einsturz brachte.
Bhansali setzt in seiner Version auf bewährte Kräfte der indischen Filmindustrie. Rani Mukherjee, zuvor in dem Blockbuster "Veer-Zaara" zu sehen, übernimmt die Rolle der Taubblinden und die Schauspiellegende Amitabh Bachchan überzeugt als strenger Lehrer, der mit seinem Einsatz auch eigene Dämonen vertreiben will. Bevor Mukherjee aber eindrucksvoll demonstrieren darf, wie sie über Körpersprache kommuniziert ist es im ersten Drittel des Films der 63-jährige Amitabh Bachchan, der seine ganze schauspielerische Klasse ausspielt. Denn zunächst muss er sich mit einem zornigen, widerspenstigen Mädchen auseinandersetzen, das partout nicht mit dem Löffel essen will, weil die Eltern es ihr nie beigebracht haben.
Mit Newcomerin Ayesha Kapoor hat Bhansali eine vorzügliche Besetzung der jungen Michelle gefunden, die in ihrer isolierten Welt lebt, nichts sehen und hören kann und nie gelernt hat Worte oder ganze Sätze zu sprechen. Hat man sich mit diesem Thema noch nicht auseinandergesetzt mag es schwer fallen sich in die Lage dieses Mädchens hineinzuversetzen und so wirkt dann auch der Umgang den ihr Lehrer mit ihr praktiziert äußerst unbarmherzig und brutal. Bhansali schildert diese neue Phase im Leben von Michelle, die zunächst durch viele Rückschläge gekennzeichnet ist, als spannenden Lernprozess, bei dem auch Lehrer Sahai an seine Grenzen stößt und der Verzweiflung nahe kommt. Das Verständnis für seine Methoden wächst aber beim Betrachter, denn mit Samthandschuhen scheint man Michelles Panzer nicht knacken zu können.
Äußerst faszinierend ist es wie hartnäckig Bachchans Figur versucht mit Hilfe des Fingeralphabets, das er in ihre Handfläche schreibt, und durch das Abtasten seiner Lippenbewegungen eine Verbindung zwischen Michelles innerer, dunkler Welt mit der für sie unentdeckten vielfältigen Außenwelt zu schaffen. Ziel ist es aus dem Mädchen, das die Eltern nicht verstehen können, eine unabhängige Frau zu machen, die sogar fähig ist eine Studium erfolgreich abzuschließen. Dass man mit Unterstützung von außen, der richtigen Einstellung und einem starken Willen etwas schaffen kann, was auf den ersten Blick unmöglich erscheint hat man z.B. auch im beeindruckenden Film "Schmetterling und Taucherglocke" (2007) gesehen. Da konnte sich der Protagonist nur durch das Blinzeln mit dem linken Auge mit der Außenwelt verständigen.
Mukherjee fühlte sich der anspruchsvollen Rolle zunächst nicht gewachsen, doch Bhansali hatte zu Recht Vertrauen in ihre schauspielerischen Fähigkeiten und so liefert sie hier eine ihrer besten filmischen Leistungen ab. Überhaupt waren die beiden Hauptdarsteller laut Äußerungen des Regisseurs beim Dreh äußerst engagiert und das sieht man auch auf dem Bildschirm. Auch wenn das Werk kein Publikumshit wurde waren unzählige Filmpreise in Indien Lohn für die Bemühungen anspruchsvolles Kino zu schaffen, das sich vor westlichen Dramen nicht verstecken muss.
Bemerkenswert ist der Verzicht auf bollywoodtypische Songeinlagen. Hier zeigt sich, dass ein Film aus Indien nicht automatisch mit Musicalnummern bestückt sein muss, denn in "Black" sind diese auch dramaturgisch nicht erforderlich. Die Geschichte hat zwar ihre rührseligen Momente; die werden aber dank der guten Darstellerleistungen nie zu kitschig. Die zusätzliche Einflechtung der Alzheimer-Thematik, die Ausgangs- und Endpunkt der in Rückblenden erzählten Geschichte ist, verleiht dem Ganzen allerdings fast etwas zuviel der Tragik. Vielleicht hätte man stattdessen die Beziehung von Michelle zu ihrer jüngeren, gesunden Schwester etwas genauer beleuchten sollen. Die fühlt sich nämlich zeitlebens von den Eltern zurückgesetzt.
DVD (Yash Raj Films, NTSC, codefrei, 120 min)
Der Film selbst wird auf der britischen DVD im anamorph kodierten Breitbild-Format (2.21 :1) präsentiert. Der Ton liegt in Hindi DD5.1 vor. Englische Untertitel (als auch solche in spanisch, französisch, arabisch und hindi) sind optional.
Extras : The Colors of Black (22 min; 4:3-Bildformat): Moderierte Gesprächsrunde mit Regisseur und den beiden Hauptdarstellern. Wer Hindi nicht versteht, der wird den gesamten Informationsgehalt nicht erfassen können, da Amitabh Bachchan kaum englische Wörter benutzt, Rani Mukherjee und Sanjay Leela Bhansali mitten in den Sätzen zwischen hindi und englisch wechseln. Untertitel gibt es keine.
Making of Black (22 min; 4:3): Hier wird erfreulicherweise in den Einzelgesprächen mit Cast und Crew fast nur englisch gesprochen, so dass man einen guten Eindruck vom Arbeitsprozess beim Film bekommt. Untertitel gibt es auch hier nicht.
Das Bonusmaterial wird vom Trailer und TV-Spots abgerundet.
Disc 2 ist eine Audio-CD mit dem Soundtrack (ca. 50 min). Für Scoreliebhaber, denn Songs gibt es im Film ja nicht.
Optisch ansprechendes, kraftvolles indisches Kino, das als Drama auch ohne gewohnte Musicalnummern überzeugt und kitschfrei demonstriert, wie man mit starker Willenskraft kaum vorstellbares erreichen kann.